Neulich schrieb mir eine Kursteilnehmerin, dass das Erkennen ihrer Bedürfnisse ihr Hauptproblem sei. Wie soll sie selbstbestimmt leben, wenn sie gar nicht weiß, was sie will? Sie ist damit nicht allein. Viele Menschen haben keinen Zugang mehr zu ihren Bedürfnissen, weil sie sehr früh gelernt haben, diese zurückzustellen.
Mit meiner Arbeit möchte ich Menschen auf dem Weg zum erfüllten, selbstbestimmten Leben begleiten. Das selbstbestimmte Leben funktioniert allerdings nur wenn du weißt, was du wirklich willst. In diesem Beitrag beschreibe ich 3 Strategien, die dir dabei helfen können, herauszufinden was du wirklich willst.
Gibt es Menschen, die du bewunderst? Vielleicht geht es dir eher wie mir: es gibt nicht das EINE Vorbild, aber es gibt viele Menschen, die bestimmte Eigenschaften haben, die ich bewundere. Michelle Obama bewundere ich zum Beispiel für ihre Disziplin und ihre unbedingte Bereitschaft zu lernen. Außerdem finde ich großartig wie sie alles gibt für die Sache, die ihr am Herzen liegt und wie sie ihren Einfluss nutzt, um die Welt zu verbessern. Ich möchte mein Leben keinesfalls mit ihrem tauschen, aber die Bewunderung zeigt mir, was mir selbst wichtig ist.
Nutze deine Neidgefühle konstruktiv für dich
Auch Neid kann dich dir selbst auf die Spur bringen. Neid ist ja – zu Unrecht wie ich finde – ein verpöntes Gefühl. Wer gibt schon gerne zu, dass er neidisch ist?! Das widerspricht ja schon dem 10. Gebot (Du sollst nicht begehren deines nächsten Hab, Weib und Gut). 2000 Jahre christliche Erziehung gehen nicht spurlos an den Menschen vorüber. Weil Neid ein ziemlich kraftvolles Gefühl ist, lässt er sich auch nicht so leicht unterdrücken. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass du Neid empfinden kannst, selbst wenn du deine Bedürfnisse ansonsten nicht gut spüren kannst. Ich schlage dir vor, den Neid nicht weghaben zu wollen, sondern ihn als einen Wegweiser zu deuten, der dir zeigt, wo deine noch nicht verwirklichten Wünsche hingehen.
Ein fiktives Beispiel
Ich bin neidisch auf eine Frau, die als Gemeinderätin aktiv ist und immer wieder in der Zeitung erwähnt wird. Das kann mir verschiedenes zeigen. Vielleicht möchte ich auch gerne sichtbarer sein, traue mich das aber nicht, weil ich denke, dass ich das nicht kann oder dass sich das nicht gehört (zwei „wunderbare“ Glaubenssätze). Oder ich würde gerne mehr Einfluss nehmen auf das Leben in der Gemeinde. Oder ich würde mich ganz allgemein gerne für eine Sache engagieren und damit etwas bewirken, oder, oder, oder…. Anstatt dich selbst zu vergleichen und die Frau abzuwerten, kannst du den Neid konstruktiv für dich nutzen, um zu erkennen, was du selbst für dein Leben willst.
Entdecke durch unerwünschte Gefühle deine unerfüllten Bedürfnisse
Manche Menschen gewinnen schon sehr früh den Eindruck, dass die eigenen Bedürfnisse nicht wichtig sind, weil z.B. die Eltern diese Bedürfnisse weder erkannt noch bestätigt haben. Dennoch lösen sich diese Bedürfnisse nicht in Luft auf. Wir haben sie trotzdem – sie melden sich sozusagen durch die Hintertür als unerwünschte Gefühle. Mit unerwünschten Gefühlen meine ich z.B. Gefühle wie Angst, Einsamkeit, Schuld, Scham, Frust, Ohnmacht, Unzufriedenheit, Ärger oder Trauer. Die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Ich kann es auch andersrum ausdrücken, um die Idee zu verdeutlichen: wenn du Freude, Glück oder Liebe empfindest, gibt es in dem Moment kein unerfülltes Bedürfnis. Du bist eins mit dir und dem Universum und würdest am liebsten die ganze Welt an deinem Glück teilhaben lassen. Stimmt’s? Die Idee geht übrigens zurück auf Marshall B. Rosenberg und seine Methode der Gewaltfreien Kommunikation.
Frust als Hinweis auf unerfüllte Bedürfnisse
Lisa ist 45 Jahre alt, hat 3 Kinder 10, 12 und 15 und arbeitet halbtags als Buchhalterin. Sie fühlt sich immer häufiger frustriert und lässt diesen Frust auch an Mann und Kindern aus. Sie nimmt dieses Gefühl ernst und fragt sich, worauf es hinweist. Sprich: welches Bedürfnis ist bei ihr gerade nicht erfüllt. Nach intensiverem Nachdenken kommt sie darauf, dass es eine Kombination aus mehreren Bedürfnissen ist: sie wünscht sich Unterstützung im Haushalt, die Arbeit erscheint ihr zunehmend monoton und erfüllt ihr Bedürfnis nach Sinn und Abwechslung kaum noch und außerdem stellt sie fest, dass sie ein unerfülltes Bedürfnis danach hat, dass ihre Leistung anerkannt wird.
Strategien zur Bedürfniserfüllung
Im nächsten Schritt kann sie sich überlegen, durch welche Strategien, sie sich diese Bedürfnisse erfüllen kann. Wichtig dabei: es gibt in den allermeisten Fällen mehrere Strategien zur Erfüllung eines Bedürfnisses. Die Unterstützung im Haushalt könnte z.B. durch eine Diskussion im Familienrat und Beteiligung der restlichen Familienmitglieder erreicht werden. Oder Lisa könnte entscheiden, dass sie sich von einer Haushaltshilfe unterstützen lassen möchte. Im Hinblick auf ihren Beruf hat die Analyse ergeben, dass ihr Sinn und Abwechslung wichtig sind. Das ist ein guter Ansatzpunkt für weitere Überlegungen. Sie könnte z.B. mit ihrer Vorgesetzten sprechen und ihr Bedürfnis nach mehr Abwechslung ansprechen.
Journaling: Komme dir schreibend auf die Schliche
Als Bloggerin bin ich sehr vertraut mit der klarheitsfördernden Kraft des Schreibens. Eine besondere Art des Schreibens ist das Journaling.
Journaling ist eine Methode, um schreibend mit der eigenen Innenwelt in Verbindung zu treten und sich selbst in der Fülle und Komplexität der Gedanken und Gefühle bewusster wahrzunehmen.
Gabriele Andler: Wortwerk
Beim Journaling gibt es immer einen so genannten Prompt, also ein Satzanfang, den du vervollständigst. Du kannst dir dabei die Uhr stellen und dann schreibst du ungefiltert und ohne Unterlass darauf los. Wenn du also z.B. denkst „Oh, jetzt fällt mir nichts mehr ein“, dann schreibst du auch das auf. Es geht darum, den Schreibfluss nicht zu unterbrechen. Noch einmal ein Zitat von Gabriele Andler (deren Journaling Buch Wortwerk ich sehr empfehlen kann):
Lass die Worte fließen, ohne darüber nachzudenken, ohne den Stift abzusetzen und ohne den Anspruch, dass es schön klingen und aussehen muss.
Gabriele Andler: Wortwerk
Für den Anfang schlage ich dir vor, dass du dir einen schönen, ungestörten Platz suchst, die Uhr auf 5 Minuten stellst und dann drauflos schreibst. Und damit du diese Strategie gleich umsetzen kannst, hier ein paar beispielhafte Satzanfänge:
- Ich fühle mich erfüllt, wenn …
- Mich inspiriert am meisten ….
- Wenn ich auf niemanden Rücksicht nehme …
- Wenn Geld keine Rolle spielte, würde ich …
- Wenn ich wüsste, dass ich Erfolg habe, würde ich …
Fazit
Die Kernbotschaft des Beitrags ist: Es gibt vermutlich viele Menschen, die nicht wissen was sie wollen, weil sie früh gelernt haben, ihre eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken. Die gute Nachricht ist, dass es Möglichkeiten gibt, diesen Bedürfnissen wieder auf die Spur zu kommen. Erst wenn du weißt, was du willst oder dir wichtig ist, kannst du dein Leben entsprechend ausrichten. Ich hoffe, dass dir der Beitrag eine Anregung in diese Richtung geben konnte.
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Liebe Korina, ich LIEBE Journaling!! So ein wichtiges Tool um herauszufinden, wo ich stehe und auch wo ich hinwill. Auch die anderen beiden Strategien finde ich sehr alltagsnah und praktikabel. Danke dafür!!
Liebe Isabelle, sehr, sehr gerne. Ich denk immer, dass das jeder kennt, aber dem ist natürlich nicht so. Danke für deine Rückmeldung und liebe Grüße, Korina
Liebe Korina, ich lese deine Beträge sehr gerne, weil du immer eine Lösung für ein bestimmtes Problem/ Gefühl an die Hand gibst. Ich bleibe nicht im negativen Gefühl hängen, sondern gehe mit einem Aha Effekt oder mit einem positiven Gefühl raus. Liebe Grüße Nicole
Liebe Nicole, Danke für diese Rückmeldung. Ich freue mich sehr darüber.
Herzliche Grüße, Korina
Sehr schön! Besonders gefällt es mir, dass tabuisierte, als negative abgestempelte Gefühle hier als natürlich und nützlich bewertet werden.
Liebe Shau Chung, Danke für deine Rückmeldung. Ich finde es auch sehr entlastend, dass ich die unerwünschten Gefühle nicht unterdrücken muss, sondern sie mir sogar helfen auf meinem Weg. Alles Gute für dich und herzliche Grüße, Korina
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