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„Akzeptiere dein Alter und kämpfe nicht dagegen an.“

Kerstin Salvador und ich haben uns in der Content Society kennengelernt. In einem der wöchentlichen Co-Blogging-Termine, entspann sich ein sehr offener Austausch über ihre Erfahrungen in der Lebensmitte. Da es mir ein großes Anliegen ist, diese Lebensphase mit ihren unterschiedlichen Facetten in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken, habe ich Kerstin spontan um ein Interview gebeten. Wir haben dieses Interview schriftlich geführt, d.h. ich habe Kerstin einige Fragen zugesandt und sie hat sie schriftlich beantwortet. Es ist ein sehr inspirierendes Interview geworden. Ich bewundere Kerstin für ihren Mut und ihre Aufrichtigkeit und finde, dass sie diese schwierige Phase des Übergangs bravourös gemeistert hat.

Was verbindest du mit dem Begriff Lebensmitte?
Damit verbinde ich den Beginn eines neuen Lebensabschnitts bzw. der Übergang zu einem neuen Lebensabschnitt in der Mitte des Lebens. Denn es ist ja nicht ein bestimmter Zeitpunkt, sondern es sind Jahre des Wechsels. Ähnlich wie sich in der Pubertät der Körper verändert, tut er es jetzt wieder. Ich spüre und beobachte täglich die Prozesse meines Körpers, akzeptiere sie und gehe wohlwollend und sanft mit mir um.

Siehst du selbst dich als eine Frau in der Lebensmitte?
Ja, inzwischen schon. Ich kann das ziemlich genau an meinem 50. Geburtstag festmachen. Vorher habe ich mein Alter gerne abgerundet. Es war ja auch noch eine „4“ davor. Da habe ich mich noch „jugendlich“ gefühlt und hätte mich nicht als „Frau in der Lebensmitte“ bezeichnet. Alt werden nur andere, ich fühlte mich „forever young“ 😉 Inzwischen bin ich gut in der Lebensmitte angekommen. Ich spüre die Veränderungen in meinem Körper und kann das gut akzeptieren.

Wie hast du selbst den Umbruch erlebt?
Ich habe den Umbruch in den ersten Monaten nach meinem 50. Geburtstag ganz deutlich gespürt. Durch die Pandemie waren mir einige Aufträge weggebrochen und ich hatte Existenzängste. Da kam eine ganze Menge zusammen: Plötzliche Angst vor Altersarmut, dass ich von meiner Selbstständigkeit nicht mehr würde leben können, dass ich in meinem Alter doch eh keinen neuen Job finden würde und dass es ab jetzt nur noch bergab gehen würde. Gruseliger Mindfuck … Ich grübelte viel, wie ich mein Business (ich war bereits zehn Jahre erfolgreich selbstständig) neu ausrichten kann.

Wann kam der Wendepunkt?
Im Netz bin ich auf das Online-Business und seine Möglichkeiten gestoßen. Ich ahnte gleich, dass ein Einkommen durch Onlinekurse zusätzlich zu meinen Aufträgen eine Lösung sein könnte. Ich meldete mich kurzerhand zu einem Jahresprogramm für den Aufbau eines Online-Business an und wurde dabei ganz schön durcheinandergewirbelt. In sehr kurzer Zeit lernte ich das Erstellen, Launchen und ​Durchführen eines Onlinekurses mit allem Pipapo. Ich ging dafür an meine letzten Ersparnisse, ohne Einnahmen und Aufträge zu haben.

Das hört sich sehr mutig an. Wie ging es dir während dieser Zeit?
Ich war kilometerweit draußen aus meiner Komfortzone und wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Es ging mir nicht gut in der Zeit. Die Wechseljahre setzten ein und ich hatte massive Schlafstörungen. Über Monate hinweg schlief ich nur 2–3 Stunden pro Nacht und war entsprechend dünnhäutig und ständig übermüdet. Hinzu gesellten sich Hitzewallungen. Ich fühlte mich energielos und erschöpft und hatte starke Stimmungsschwankungen. Das Lern- und Erfüllungspensum für den Businessaufbau war krass herausfordernd. Ich wollte aber unbedingt alles schaffen und mir keine Blöße geben. Ich arbeitete bis zum Umfallen und stand kurz vorm Burn-out – oder war eigentlich mitten drin.

Wie hast du den Zusammenbruch abgewehrt?
Ich habe mich von meiner Gynäkologin zu einer Hormonersatztherapie überreden lassen. Die Schweißausbrüche haben aufgehört und mein Schlafrhythmus hat sich wieder eingepegelt. Damit geriet ich wieder in ruhigere Fahrwasser. Im zweiten Halbjahr habe ich mich dann etwas aus dem Druck der Gruppe zurückgezogen und in Ruhe meine Website erstellt. Das war ein Meilenstein, auf den ich mächtig stolz war. Mit der fertigen Website habe ich eine wichtige Basis für mein Business geschaffen, mit der ich mich gerne zeige. Außerdem habe ich das Bloggen für mich entdeckt und baue damit meine Sichtbarkeit und mein Standing für mein Online-Business auf. Seit dem Eintritt in die Bloggerinnen-Community The Content Society bin ich umgeben von einem Netzwerk mit fabelhaften und wertschätzenden Frauen. Mein Selbstbewusstsein ist durch das Schreiben enorm gewachsen.

Im Herbst kamen gleich zwei spannende Arbeitsprojekte auf mich zu – ein externes Projektmanagement für einen Fachverlag und das Schreiben eines Buches – die mich ein halbes Jahr begleiten sollten. Damit war auch die Existenzangst gebannt, denn wo einmal Aufträge sind, kommen erfahrungsgemäß weitere hinzu. So baue ich mein Online-Business in meinem Rhythmus und begleitend zu meinen Aufträgen auf. Außerdem versuche ich, das Leben und Privates nicht zu kurz kommen zu lassen.

Und wie war es, das Business von analog auf online umzustellen?
Naja, in meinem Fall ist es keine direkte Umstellung meines Business von analog zu online, sondern vielmehr der Aufbau eines komplett neuen Business. Meine Tätigkeit als Lektorin, Autorin und Übersetzerin und die Zusammenarbeit mit Verlagen ist im Grunde ja schon online, denn sie findet komplett vor dem Rechner statt. Neu ist die Ausrichtung an eine neue Zielgruppe, meine Wunschkundinnen: Ich helfe Unternehmerinnen, die ein Online-Business haben und viel schreiben müssen dabei, sicher durch den Rechtschreibdschungel zu kommen und sich mit korrekten Texten zu zeigen. Dafür biete ich Workshops und Rechtschreib-Onlinekurse an. Auf Augenhöhe, ohne den erhobenen Zeigefinger.

Welche Vorteile siehst du in der jetzigen Lebensphase?
Ich blicke auf einen reichen Erfahrungsschatz zurück und das fühlt sich großartig an. Ich starte mit dem Aufbau meines neuen Standbeins ja nicht bei null, sondern richte mein Wissen als Lektorin und mein Gespür für Sprache an Kundinnen, mit denen ich gerne zusammenarbeite. Es darf auch leicht gehen und Spaß machen. In den letzten 1 ½ Jahren bin ich enorm gewachsen und habe unfassbar viel gelernt und mich weiterentwickelt. Inzwischen habe ich viele meiner Glaubenssätze über Bord ​geworfen und bin mutiger geworden.

Mit der Akzeptanz der Lebensmitte kann ich mir zugestehen, dass permanentes Multitasking völliger Blödsinn ist. Ich fokussiere mich lieber auf eine Sache, schließe sie ab und wende mich dann der nächsten zu. Ich strukturiere meinen Tag in Zeitblöcken, in denen ich meine Aufgaben erfolgreich umsetze. Ich gönne mir Pausen. Überhaupt achte ich mehr auf meinen Körper und gehe achtsamer mit mir um.

Gibt es etwas, dem du nachtrauerst?
Ja. Ich bin leidenschaftliche Sportlerin, mache regelmäßig Kraftübungen, laufe auch auf Laufveranstaltungen und schwimme im Verein. Früher bin ich viel Rennrad gefahren und habe auch an Rennen teilgenommen. Hier fällt es mir schon schwer zu akzeptieren, dass ich nicht mehr so kraftvoll und belastbar bin. Im Spätsommer 2020 war mein Ziel, meinen ersten Halbmarathon zu laufen und hatte einen festen Trainingsplan, um dieses Ziel zu erreichen. Corona hat mir leider einen Strich durch die Rechnung gemacht – alle Laufveranstaltungen wurden abgesagt. Mit dem Aufbau meines Online-Business 2021 war dann an Lauftraining nach Trainingsplan nicht mehr zu denken. So nahm mein Fitnesslevel rapide ab. Inzwischen laufe ich nur für mich und versuche Training und Business gut miteinander zu vereinbaren.

Was würdest du heute deinem 10 Jahre jüngeren Ich sagen mit auf den Weg geben?
Koste die Zeit vor der Lebensmitte in vollen Zügen aus. Nimm alles mit und power dich aus. Auch wenn du es als junger Mensch nicht wahrhaben willst, dass auch deine Jugend irgendwann vorbei ist – sie endet tatsächlich. Aber es ist auch nicht so schlimm, denn dann beginnt eine neue Lebensphase, die auch viel Gutes mit sich bringt. Akzeptiere dein Alter und kämpfe nicht dagegen an.

Vielen Dank, liebe Kerstin, für diesen sehr inspirierenden Austausch!
Falls du das Thema auch interessant findest, dann schau doch am Freitag, 17.06. um 17:30 bei uns in Facebook vorbei. Wir fanden das Thema nämlich so ergiebig, dass wir uns noch weiter darüber unterhalten wollen. Hier ist der Link zur Veranstaltung.

Hier gibt es mehr Infos über Kerstin und Vernetzungsmöglichkeiten:


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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

    1. Danke für diese Rückmeldung liebe Shau Chung. Es gibt so viele spannende und inspirierende Geschichten zu erzählen, nicht wahr? Herzliche Grüße, Korina

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