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Der Umgang mit Störungen

Dies ist ein Beitrag aus der Reihe „Schätze aus der Mitte“. In dieser Reihe veröffentliche ich Texte, die beim handschriftlichen Schreiben nach der Meditation entstanden sind.

Die Welt ist voller Ablenkungen und Störungen. Und so ist auch die Meditation. Meistens sind es die Gedanken, die wie eine Affenherde durch den Kopf schießen. Aber heute ist es eine penetrante Stubenfliege.

Ich sitze auf meinem Meditationsbänkle. Atme ein, atme aus. Eine Fliege umschwirrt mich. Setzt sich auf meinen Arm, spaziert darauf herum. Ich nehme die kitzlig-nervigen Bewegungen wahr und den Impuls, die Fliege zu verscheuchen. Der Gedanke an Reiz und Reaktion taucht auf. Natürlich weiß mein Verstand, dass es in der Meditation auch darum geht, den Raum zwischen Reiz und Reaktion zu vergrößern. Ich lasse die Fliege noch eine Millisekunde gewähren. Denke, nicht an den Raum zwischen Reiz und Reaktion, sondern ans Aushalten. Denke, dass es bei der Meditation nicht nur ums Aushalten geht und mir dieser Reiz-Reaktions-Raum gerade im Moment sch….egal ist. Beschließe, dass ich die Fliege verjagen. Schwupps! Weg ist sie. Das alles in Sekundenbruchteilen. Ich kehre zum Atem zurück. Atme ein, atme aus.

Die Fliege ist wieder da. Ich halte es einen kurzen Moment aus, bevor ich Sie verjage. Der Reiz-Reaktionsraum ist eher ein klitzekleines Räumchen. Das Spiel wiederholt sich. Ich atme ein, ich raste aus. Fühle mich schlecht. Habe das Gefühl, nein denke, versagt zu haben. Nehme den Gedanken wahr.

Erkenne, was das für ein törichter Gedanke es ist. Nehme mich geistig in den Arm. Erkenne meine Anspannung, mein Bedürfnis nach Gelassenheit, meine Anstrengung des gutmachen zu wollen. All das sehe ich und habe plötzlich Mitgefühl mit dieser tapferen Person, die immer wieder von neuem versucht ein guter Mensch zu sein. Es piept. Ende der Meditation.


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Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Verena

    Liebe Korina, wie sehr musste ich lachen! So ein Wiedererkennen – wie gut kenne ich genau dieselbe Situation – genau dieselben Gedanken und ich hatte sofort Mitgefühl mit dir, mit mir, mit uns allen, die wir uns immer wieder durchs „Richtigmachenwollen“ durchjagen. Von Herzen so eine Fliege einfach mal hassen zu dürfen und die ganze Wut dann körperlich zulassen und spüren, mich zu schütteln und zu schreien – das tut mir gut. Ich habe zwar dadurch immer noch nicht mehr Gelassenheit in solchen Situationen erreicht, aber wenigstens dann aufgehört mich zu verurteilen und kann mehr akzeptieren was ist, nämlich dass ich gerade einfach nicht gelassen bin, sondern aufgebracht, wütend, genervt und dermaßen unspirituell :-). Und schon ist da mehr Freude und dann doch irgendwie auch Gelassenheit.

    1. Herrlich, liebe Verena. Genau das gehört ja auch zur achtsamen Haltung: die Akzeptanz dessen, was gerade IST. Jenseits von allen Erwartungen. Danke für diese Ergänzung, die mir gerade ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
      Herzliche Grüße, Korina

  2. Eva

    Wunderbar, liebe Korina, so eine kleine Fliege, so ein dickes Buch. Über Winzigkeiten, die alltäglich auftreten, lassen sich regelmäßig lange Texte verfassen. Voraussetzung: die Bereitschaft, sich selbst zu beobachten. Dein Text erinnert mich, dass ich irgendwo mal gelesen habe, neben einem buddhistischen Mönch, der seit Jahrzehnten meditiert, lasse sich eine Kanone abfeuern, und er würde nicht zusammen zucken. Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, doch ist es für mich eine Metapher unendlicher Gelassenheit. Allein der Gedanke an diesen unendlichen Raum der Gelassenheit beruhigt mein autonomes Nervensystem. Macht Lust aufs Weiterüben! Danke für die Anregung und herzliche Grüße Eva

    1. Liebe Eva, Danke für deine Gedanken zum Beitrag. Es ist sehr interessant, dass allein die Vorstellung an einen unendlichen Raum der Gelassenheit das eigene autonome Nervensystem beruhigen kann. Ich habe es gerade ausprobiert und es scheint zu funktionieren. Wir alle brauchen immer wieder Anregungen zum Weiterüben. Schön, wenn bei dir durch den Beitrag die Lust am Weiterüben geweckt wurde.
      Herzliche Grüße, Korina

  3. ramona

    Ich bin ganz bei dir, du Gute und Schöne! „Ich atme ein, ich raste aus!“ Treffender kann man es nicht sagen. Welches Wort ich allerdings schon vor einigen Jahren aus meinem Repertoire gestrichen habe, das ist „Aushalten“. Nee, wir sind nicht da, um auszuhalten! Vielleicht ist es manchmal sinnvoll, nicht zu rasch aufzugeben, sondern etwas durchzuhalten. Aber das ist in meiner Wahrnehmung etwas anderes.

    Ich freue mich für dich und für die, die es lesen dürfen, dass du dich letztlich selbst in den Arm nehmen, dich und die Situation annehmen konntest. Glückwunsch. Mir fällt dazu das Mantra „So Ham“ ein. „Ich bin“ sei genug, sagt Chopra – ohne jedes Adjektiv hinten dran. Mir gefällt es sehr, weil jede Bewertung / Beurteilung oder gar Abwertung / Verurteilung zwangsweise verstummt. Ich bin, du bist, er/sie/es ist. Nicht mehr und auch nicht weniger.

    Einen schönen Sonntag dir und liebe Grüße aus Cerval. Deine Ramona

    1. Liebe Ramona,

      vielen Dank für die wertvolle Ergänzung: der Unterschied zwischen aus- und durchhalten. Ich finde auch, dass das ein Unterschied ist. Aushalten ist eher von aussen getriggert, durchhalten sehe ich eher als eine Entscheidung, um etwas zu erreichen, was einem persönlich am Herzen liegt. Manchmal muss man durchhalten – das wissen alle, die jemals einen Blog eingerichtet haben 😉 So könnte ich bei anderer Gelegenheit, noch einmal mit einer anderen Haltung der Stubenfliege begegnen.

      Herzliche Grüße, Korina

  4. ramona

    Zur Stubenfliege fällt mir auch noch was ein. Ich glaube dieser Satz wird dem Dalai Lama zugeschrieben und er geht ungefähr so: Wenn du glaubst, du bist zu klein, etwas zu bewirken, dann versuch mal zu schlafen, wenn eine Mücke im Zimmer ist!

    Schau mal, was diese kleine Fliege zu bewirken in der Lage war. Und wir denken allzu oft, es habe ja eh alles keinen Sinn, weil wir zu klein sind …
    Wie schade das doch ist!

    1. Was für ein toller Gedanke! Danke liebe Ramona. Da überlege ich direkt, ob ich diese Anmerkung noch in den Beitrag aufnehme.

      Herzliche Grüße, Korina

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