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Was sind eigentlich somatische Marker?

Hast du schon einmal vor einer Entscheidung kalte Füsse bekommen? Hast du je in dem Dilemma gesteckt, dass der Kopf „Ja“ und das Herz „Nein“ gesagt hat? Dann weißt du aus eigener Erfahrung, dass wir Entscheidungen nie alleine mit dem Kopf treffen. Das Bauchgefühl entscheidet mit – auch wenn uns das nicht immer bewusst ist. Es gibt unzählige Forschungen zum Thema menschliches Entscheidungsverhalten. Eine besonders spannende – weil praktisch anwendbare – Hypothese finde ich die der somatischen Marker.

In diesem Beitrag erkläre ich, was somatische Marker sind, wie sie grundsätzlich funktionieren, und wie du sie für dich nutzen kannst.

Warum sind somatische Marker interessant?

Wenn wir das Konzept der somatischen Marker verstehen, können wir damit einerseits lernen, bessere Entscheidungen zu treffen. Andererseits können wir sie auch dazu nutzen unsere Selbststeuerungskompetenzen zu verbessern. Im Zürcher Ressourcen Modell werden sie genau für letzteres eingesetzt und haben damit schon unzähligen Menschen geholfen hartnäckige Blockaden zu überwinden (z.B. beim Abnehmen, bei Aufschieberitis….).

Was ist ein somatischer Marker?

In der Medizin versteht man unter einem Marker ein Protein oder ein Hormon, das etwas anzeigt. Somatisch bedeutet, dass es sich um etwas handelt, das sich körperlich manifestiert. Ein somatischer Marker ist ein Muster an physiologischen Reaktionen (Herzschlag, Blutdruck, Muskeltonus,…), die mit einer Situation assoziiert sind. Dieser Marker wird zusammen mit einer ganz einfachen Wertung – positiv oder negativ – abgespeichert.

Der Begriff wurde vom Neurowissenschaftler Antonio Damasio in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts eingeführt. Er stellte die Theorie auf, dass alle Erfahrungen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens macht, in seinem emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeichert werden und bei künftigen ähnlichen Situation wieder aktiviert werden. Dieser Mechanismus beschleunigt z.B. Entscheidungsprozesse enorm, weil auf die bereits vorhandenen Erfahrungen zurückgegriffen wird.

Wie funktionieren somatische Marker?

Das emotionale Erfahrungsgedächtnis liegt im präfrontalen Cortex und beginnt sich bereits im Mutterleib auszubilden. Der Inhalt steht uns also nicht mit dem bewussten Verstand zur Verfügung. Die Information, die im Unbewussten gespeichter ist, wird uns als als körperliche Rückmeldung über die somatischen Marker zugänglich gemacht.

Das Unbewusste gleicht unablässig und in rasender Geschwindigkeit – und von unserem bewussten Verstand oft unbemerkt – unsere aktuellen Erfahrungen mit dem emotionalen Erfahrungsgedächtnis ab. Ich stelle mir den Mechanismus wie eine gigantische Suchmaschine vor, die „always on“ ist. Bei einem Treffer, wird das Ergebnis über den somatischen Marker zurückgemeldet. Dies alles wohlgemerkt in Sekundenbruchteilen und – wenn wir nicht sehr achtsam sind – merken wir es nicht einmal. Erstens reagieren Menschen unterschiedlich achtsam auf ihren Körper. Wer kennt nicht die Situation, in der eine Aufgabe ganz dringend erledigt werden muss und darüber alle körperlichen Bedürfnisse in den Hintergrund geschoben werden. Zweitens sind somatische Marker individuell unterschiedlich ausgeprägt.

Wie kann ich die Wahrnehmung meiner somatischen Marker trainieren?

Weil das Unbewusste zwar sehr schnell ist, aber auch diffus, braucht es etwas Übung, um sie gut zu erkennen. Erschwerend kommt hinzu, dass sie sich bei jedem Menschen anders äußern. Manche nehmen sie als Körperempfindung wahr („warmes Gefühl im Bauch“, „kalte Füße“), manche als Emotion („ein Gefühl der Freude“). Andere Menschen nehmen sie visuell wahr (hell, dunkel). Wiederum andere nehmen sie überhaupt nicht wahr. 

Meditation und Achtsamkeitsübungen können die Wahrnehmungsfähigkeit verbessern. Eine kleine Übung hierzu: Schreibe die folgenden Begriffe auf einen Zettel: Sonne, Wind, Regen, Routine, Alltag, Winter, Grün, Rot. Spüre in dich hinein und beobachte, welche Reaktionen sich zeigen. Falls dir die Übung schwer fällt, weil sich scheinbar nichts tut, prüfe Bauch (körperliche Empfindungen), Herz (Gefühle), Kopf (Bilder oder Gedanken) nacheinander.

Je besser wir die somatischen Marker erkennen, desto eher sind wir in der Lage, gute Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, die sowohl unserem Kopf als auch unseren Bauch berücksichtigen.

Willensschwäche und somatische Marker

Unsere Entscheidungen treffen wir sehr häufig mit dem Kopf – jedenfalls denken wir das. Für mich ist das Konzept der somatischen Marker und des emotionalen Erfahrungsgedächtnisses ein Beleg dafür, dass jede meiner Entscheidungen durch eine Emotion beeinflusst ist. Außerdem liefert sie eine plausible Erklärung für scheinbare Willensschwäche.

Ein Beispiel: ich nehme mir vor, mehr Sport zu treiben und nehme mir deshalb vor, drei Mal die Woche im Wald laufen zu gehen. Ich trage das in meinen Kalender ein. Mein Verstand ist zufrieden: eine smartes Ziel ist formuliert, ich habe mir Zeit dafür eingeplant und dann stelle ich fest, dass mir bei jedem Termin etwas anderes dazwischenkommt. Mein Verstand weiß, dass Bewegung gut für mich ist. In meinem emotionalen Erfahrungsgedächtnis sind allerdings Erfahrungen aus dem Sportunterricht gespeichert, die eindeutig negativ sind und die bei jedem Termin wieder aktiviert werden. Leider dauert es eine ganze Weile bis ich meinem Unbewussten auf die Spur komme….

Wie kann ich somatische Marker zur Selbststeuerung einsetzen?

Das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) von Frank Krause und Maja Storch nutzt somatische Marker, um in einen Zustand der selbstregulierenden Willenskraft zu kommen. Sie vertritt die Ansicht, dass wir mit Willenskraft alleine keine nachhaltige Verhaltensänderung bewirken können, weil wir nicht dauerhaft gegen das Unbewusste arbeiten können. Wenn wir es schaffen, das Unbewusste in unsere Entscheidungen mit einzubeziehen, dann können wir unsere Handlungsimpulse ohne Zwang koordinieren.

Vereinfacht gesprochen wird ein Zielzustand formuliert (das ZRM bezeichnet das als Motto-Ziel) . Motto-Ziel, weil es kein Ziel im landläufigen Sinn ist, sondern eine Haltung, die zur Zielerreichung förderlich ist. Das Motto-Ziel ist also nicht: Ich will 5kg abnehmen, sondern z.B. „Leicht-Sinnig und frei durchs Leben tanzen„.

Es würde zu weit führen, den Prozess des ZRM in diesem Beitrag im Einzelnen aufzuführen. Eine sehr schöne Zusammenfassung findet sich in diesem Beitrag von Thorsten Wolf: Motivieren geht.

Wenn du ein hartnäckiges Thema mit Unterstützung durch dein Unbewusstes angehen möchtest, dann vereinbare einen Termin für eine kostenlose Vorbesprechung mit mir. Ich unterstütze dich sehr gerne beim Finden deines Motto-Ziels.

Fazit

Somatische Marker liefern eine wissenschaftliche Erklärung dafür, warum wir Entscheidungen nicht mit dem Kopf alleine treffen. Wenn wir lernen Sie wahrzunehmen, können wir sie einerseits nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen; Entscheidungen, die unser Bauchgefühl berücksichtigungen. Andereseits können wir sie zu unserer eigenen Selbststeuerung einsetzen und damit hartnäckigen Themen (Abnehmen, Aufschieberitis…) zu Leibe rücken.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Matthias Heufer

    Ich finde den Text sehr gut – allerdings macht er auch klar, warum ich mit somatischen Markern nichts anfangen kann: durch einen schweren Sehfehler von Geburt an kann ich nur auf einem Auge sehen und gehöre zusätzlich (oder vielleicht deswegen) zu den Menschen ohne Fantasie – mein „inneres Auge“ zeigt nur absolute Dunkelheit. Ihr Tip, Gefühle durch Worte und entsprechende Vorstellung auszulösen geht nicht: ich kann nichts visualisieren.
    Bis vor kurzem bin ich davon ausgegangen, dass das der normale Zustand sei. Es ist für mich nicht denkbar, dass man sich Bilder im Kopf selbst erschaffen können soll…

    1. Lieber Matthias,

      das ist eine sehr interessante Beobachtung. Danke fürs Teilen. Vielleicht steht dir die feine Wahrnehmung noch nicht zur Verfügung? Es geht bei den Markern ja zunächst darum, was ein Bild körperlich auslöst. Da du auf einem Auge siehst, ist dir zumindest die visuelle Wahrnehmung möglich. Vielleicht schaust du dir einmal ein richtig ekliges Bild an und beobachtest ganz genau, ob es in deinem Körper eine Reaktion gibt? Also nicht: Welches Bild oder Gefühl wird in mir erzeugt, sondern was bemerke ich körperlich (Übelkeitsempfinden im Halsbereich, Mundwinkel verziehen sich…. egal was).

      Aber vielleicht ist es auch einfach so, dass dieses Konzept für dich nicht taugt. Die Frage, die ich mir stelle, ist ja, warum dich das Thema so angesprochen hat, dass du den Beitrag gelesen hast. Was würde es dir emöglichen, wenn es so wie beschrieben für dich funktionieren würde? Welche Fragestellung könntest du damit für dich beantworten?

      Mit herzlichen Grüßen – Korina

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