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Was ist Scham: Niemand mag sie und alle kennen sie

In letzter Zeit beschäftige ich mich intensiver damit, was Scham eigentlich ist. Warum? Weil mich dieses Gefühl schon viele Jahre meines Lebens begleitet – mal leise, mal lauter.
Neulich war es wieder so weit: Ich kam zu spät. Nichts Dramatisches – und trotzdem wurde mir innerlich heiß, und für einen kurzen Moment wollte ich am liebsten überhaupt nicht mehr an der Veranstaltung teilnehmen. Keine schöne Situation – aber objektiv kein Weltuntergang. Warum also dieses entsetzliche Gefühl?

In diesem Beitrag geht es darum, Scham besser zu verstehen: Was ist Scham eigentlich? Wie unterscheidet sie sich von Schuld? Und warum schämen wir uns oft – selbst dann, wenn wir es gar nicht müssten?

Was ist Scham – einfach erklärt

Alle kennen Scham, aber wenige können es aus dem Stand definieren. Die US-amerikanische Schamforscherin Brené Brown bringt es folgendermaßen auf den Punkt:


– Brené Brown, Verletzlichkeit macht stark

Man muss kein Psychologe sein, um zu erkennen, wie tief Scham geht. Die Auslöser für Scham sind sehr unterschiedlich. Im nächsten Abschnitt gibt es einige Beispiele dafür.

Wofür Erwachsene sich schämen – Beispiele

Vielleicht denkst Du Dir, dass mit den Jahren auch die Scham verschwindet. Weit gefehlt! Scham begleitet uns, solange wir leben. Die Schamattacken werden weniger und sind vielleicht auch nicht mehr so stark ausgeprägt, aber Alter schützt nicht vor Scham. Beispiele gefällig?

  • Eine Aufgabe im Job nicht rechtzeitig fertigbekommen
  • Den Job verlieren
  • Die Beförderung nicht bekommen
  • Nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden
  • Keinen Partner zu finden
  • Nicht schwanger werden
  • Eine schlechte Mutter/Partnerin/Freundin sein
  • Die Kinder/den Partner anschreien
  • Nicht abnehmen zu können
  • Keine Ordnung halten können
  • Sich einsam fühlen

Kurz und gut: Scham entsteht, wenn wir merken, dass wir nicht so sind, wie wir sein wollen oder sollten. Wir fühlen sie, wenn wir glauben, Erwartungen nicht zu erfüllen – sei es von Menschen, die uns wichtig sind, von der Gesellschaft oder auch unsere eigenen. Man könnte es auch so ausdrücken: Scham ist wie ein Spiegel, der uns nicht zeigt, wer wir sind, sondern wer wir glauben, nicht sein zu dürfen. Wenn wir verstehen wollen, was Scham ist, dann ist es auch hilfreich, den Unterschied zwischen Scham und Schuld zu verstehen.

Unterschied zwischen Scham und Schuld

Am Beispiel des Zuspätkommens lässt sich der Unterschied zwischen Schuld und Scham gut zeigen. Es gibt viele Gründe für ein Zuspätkommen: die Entfernung falsch eingeschätzt, Stau, die Zeit aus den Augen verloren, usw. Natürlich ist das nicht optimal, und es ist wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Im besten Fall erkenne ich: Da hat jemand auf mich gewartet, vielleicht sich sogar Sorgen gemacht – oder unser Treffen fällt jetzt kürzer aus. Ich sehe meinen Fehler, entschuldige mich für die Auswirkungen – und damit ist es hoffentlich für alle Beteiligten erledigt.

Bei Scham ist das leider nicht so einfach. Schuld bezieht sich auf das, was ich getan habe. Scham aber trifft, wer ich bin. Sie flüstert mir zu: „Ich bin falsch. Ich bin nicht liebenswert.“ Und wie soll ich mich für mein bloßes Dasein entschuldigen? Das widerspricht dem Selbsterhaltungstrieb – und deshalb wird’s kompliziert.

Was folgt, ist oft ein inneres Drama: Manche entschuldigen sich übertrieben und ständig, selbst wenn es gar nichts zu entschuldigen gibt. Andere ziehen sich zurück, vermeiden Nähe oder zeigen übermäßige Anpassung. Alles, um sich zu schützen – vor Ablehnung, vor Bloßstellung, vor dem Gefühl, nicht dazuzugehören.

Scham erkennen

Eine Scham-Attacke zu erkennen ist nicht schwierig. Sollte man meinen.

Auf der körperlichen Ebene:

Körperlich ist Scham oft leicht zu erkennen – sie zeigt sich deutlich, manchmal sogar schmerzhaft spürbar:

  • Erröten – Klassiker, das Gesicht wird heiß und rot.
  • Herzklopfen – Puls geht hoch, manchmal fühlt es sich richtig unangenehm an.
  • Schwitzen – vor allem an Händen oder unter den Achseln.
  • Kloß im Hals – als würde einem die Stimme wegbleiben.

Diese Reaktionen ähneln dem, was wir aus anderen Bedrohungssituationen kennen. Kein Wunder: unser Nervensystem interpretiert Scham als Bedrohung. Deshalb helfen Techniken zur Stressregulation (z. B. verlängerte Atmung, Bodenkontakt, bestimmte Gegenstände zählen, usw.), um aus dem Alarmzustand auszusteigen und wieder klar denken zu können.

Auf der seelischen Ebene:

Weniger offensichtlich – aber genauso wirkungsvoll – sind unsere inneren Schutzstrategien. Sie zielen darauf ab, Schamsituationen gar nicht erst entstehen zu lassen.

Weniger offensichtlich – aber genauso wirkungsvoll – sind unsere inneren Schutzstrategien. Sie zielen darauf ab, Schamsituationen gar nicht erst entstehen zu lassen.

  • Freude vermeiden
    Lieber nicht zu viel freuen, denn wer sich nicht freut, kann auch nicht enttäuscht werden und hat die Situation dadurch vermeintlich besser unter Kontrolle.
  • Perfektionismus
    Wenn ich alles richtig mache, kann mir niemand etwas vorwerfen. Keine Fehler = keine Scham. (Spoiler: klappt nie dauerhaft.). Eng damit zusammen hängen die inneren Dialoge mit der inneren Kritikerin. Mehr Info, siehe: Deine innere Kritikerin: Woher sie kommt und wie du sie zur Verbündeten machst
  • Emotionale Betäubung
    Immer beschäftigt, immer „crazy busy“ – Hauptsache, keine Zeit zum Fühlen. Schon gar nicht für Scham.

Diese Muster laufen oft unbewusst ab. Aber sobald Du sie erkennst, kannst Du beginnen, ihnen auf die Schliche zu kommen – mit Mitgefühl statt Selbstverurteilung.

Fazit: Scham erkennen, um ihr besser zu begegnen

Scham ist ein tief verankertes Gefühl, das uns alle betrifft – vom verspäteten Meeting bis zur gefühlten Unzulänglichkeit im Job oder in Beziehungen. Im Gegensatz zur Schuld, die sich auf unser Handeln bezieht, trifft Scham unser Selbst und flüstert: „Ich bin falsch.“ Die körperlichen Anzeichen für Scham sind eindeutig – aber es gibt auch Schutzmechanismen, die nicht so leicht zu durchschauen sind, z.B. Perfektionismus oder emotionale Betäubung. Wenn wir verstehen, was Scham ist, vor allem, dass sie nicht unser wahrer Kern ist, sondern ein Gefühl, das kommt und geht, dann können wir beginnen, uns mit mehr Selbstmitgefühl zu begegnen und die lähmende Macht der Scham zu durchbrechen.


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