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Empty Nesting am Muttertag: Zwischen Freude und Trauer

Diesen Beitrag widme ich allen Müttern, denen am Muttertag nicht nur zum Feiern zumute ist. Empty- Nesting-Mütter, deren Kinder das Nest verlassen haben – physisch oder psychisch. Mütter, die sich mit Herzblut ihren Familien gewidmet haben und sich noch im Abnabelungsprozess befinden. Mütter, denen insbesondere an diesem Ehrentag den inneren Konflikt zwischen Freude und Trauer, zwischen Stolz und Sorge, zwischen Loslassen und Festhalten spüren.

Ich möchte diesen Müttern zurufen: Auch ihr habt Grund zum Feiern: Ihr habt Kinder bekommen und aufgezogen und habt im Alltag gezeigt, dass ihr über Ausdauer, Selbstlosigkeit, Organisations- und Teamfähigkeit und noch einiges mehr verfügt. Ihr habt in dieser Schule des Lebens auch manch langweilige oder anstrengende Stunde absolviert, die ihr euch nicht alle freiwillig ausgesucht habt. Und natürlich gab es da auch tolle Stunden – sonst hättet ihr jetzt keine gemischten Gefühle, sondern würdet euch einfach nur über die neuen Freiheiten freuen.

In diesem Beitrag will ich aufzeigen, dass ihr nicht alleine seid, dass Empty Nesting ein natürlicher Teil des Lebens ist und die gemischten Gefühle lediglich darauf hinweisen, dass ihr emotional noch nicht ganz in der neuen Lebensphase angekommen seid.   

Was ist Empty Nesting?

Der Begriff „Empty Nesting“ (auf Deutsch: Leeres Nest) bezieht sich auf die Phase im Leben von Eltern, wenn ihre Kinder erwachsen geworden sind und das Elternhaus verlassen haben, um ihr eigenes Leben zu führen. Ich möchte ergänzen, dass diese Phase formal zwar mit dem Auszug der Kinder beginnt, aber die Abnabelung beginnt deutlich früher und deshalb spreche ich lieber davon, dass die Kinder physisch oder psychisch „ausfliegen“. Mit dem Auszug bzw. der Abnabelung können Gefühle von Einsamkeit, Depression oder Sinnlosigkeit bei den Eltern auftreten. Man spricht vom Empty Nest Syndrom, wenn diese Gefühle länger als sechs Monate anhalten und das tägliche Leben des Elternteils beeinträchtigen. Natürlich gibt es auch Eltern, die sich sehr über die neu gewonnenen Freiheiten freuen und mit dem Thema Empty Nest Syndrom überhaupt nichts anfangen können. Für sie ist dieser Beitrag nicht.

Gemischte Gefühle bei Empty Nestern sind ganz normal

In jedem Übergang erleben Menschen gemischte Gefühle. Wenn es ausschließlich positive Gefühle gäbe, würde das ein schlechtes Licht auf die Zeit davor werfen. Gleichzeitig gibt es Normvorstellungen, die suggerieren, dass nur die positiven Gefühle „normal“ sind. Die „Mütter im Ruhestand“ sollen sich bitteschön über die Unabhängigkeit und Freiheit, die sie nun haben, freuen. Sie sollen sich darüber freuen, dass sie jetzt mehr Zeit für sich selbst, ihre Hobbys, ihre Karriere oder ihre Reisen haben. Sie sollen stolz auf ihre Kinder sein, die ihren eigenen Weg gehen und ihr Leben meistern. All das empfinden Mütter vermutlich – aber eben nicht nur.

Eltern, die sich mit Herzblut ihren Kindern und der Familie gewidmet haben, verlieren mit dem Auszug der Kinder einen Lebenssinn. Auch wenn sie noch andere Sinnbezüge im Leben haben, vermissen sie vielleicht manchmal die Nähe und das Zusammensein mit ihren Kindern. Sie fühlen sich vielleicht einsam oder sogar überflüssig. All das erscheint mir vollkommen normal, denn es braucht auch Zeit, sich an neue Verhältnisse zu gewöhnen. Ausführlicher über die Übergangszeit habe ich in diesem Beitrag geschrieben.

Alle Gefühle haben eine Funktion

Auch wenn wir die Gefühle gerne in gut und böse einteilen, so ist es doch so, dass alle Gefühle auch eine positive Funktion haben.

Trauer

Wenn wir etwas verlieren, das uns wichtig ist, hilft uns die Trauer beim Loslassen und Anpassen an die neue Realität. Trauer kann uns auch helfen, uns an die Bedeutung von Menschen und Dingen in unserem Leben zu erinnern und uns dabei unterstützen, eine tiefere Wertschätzung für das zu entwickeln, was wir haben.

Wut

Obwohl Wut manchmal als negative Emotion betrachtet wird, hat sie eine wichtige Funktion und kann uns dabei helfen, uns selbst und unsere Grenzen zu schützen. Eine der wichtigsten Funktionen von Wut besteht darin, uns darauf aufmerksam zu machen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Wenn wir wütend darauf sind, dass die Kinder sich nur melden, wenn sie etwas brauchen, dann zeigt die Wut, dass wir handeln müssen, um unsere eigenen Bedürfnisse zu verteidigen.

Einsamkeit

Eine der Funktionen von Einsamkeit ist es, uns darauf aufmerksam zu machen, dass wir soziale Verbindungen brauchen. Als soziale Wesen sind wir nämlich darauf angewiesen, Beziehungen zu anderen aufzubauen und zu pflegen, um ein erfülltes Leben zu führen. Wir können und müssen Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Kinder können diese Funktion nicht auf Dauer übernehmen.

Übergänge brauchen Zeit

Ich hätte mir vor ein paar Jahren nicht vorstellen können, wie lange es dauert, bis die jungen Leute ihren Platz im Leben gefunden haben. In meinem Umfeld beobachte ich, dass die geradlinigen Lebensläufe immer seltener werden. Nach dem Abitur kommt vielleicht ein Gap-Jahr, dann ein Bachelor Studium, dann vielleicht ein Studienwechsel, dann noch ein Masterstudium. Es scheint für die jungen Menschen immer schwieriger zu werden, sich für eine Richtung zu entscheiden, denn die Auswahl ist riesig und die Angst davor, eine falsche Entscheidung zu treffen, anscheinend auch.

Aber wie viel Zeit gönnen wir uns eigentlich selbst für so einen Veränderungsprozess? Für viele Frauen ist die Familiengründung immer noch damit verbunden, dass sie beruflich zurückstecken. Vielleicht haben sie in ihrer Familienphase auch neue Talente und Interessen entdeckt, sodass der ursprüngliche Beruf gar nicht mehr wirklich passt.

Für Schulabgänger ist es vollkommen normal, dass ein intensiver Suchprozess einsetzt, um den nächsten Schritt gut entscheiden zu können. Dinge werden ausprobiert, Tests durchgeführt, Gespräche geführt. All das braucht Zeit. Wie oft habe ich schon von Frauen in der Lebensmitte gehört „Wenn ich nur wüsste, was ich will!“ Es ist eigentlich eine ähnliche Situation wie die der Kinder. Nur, dass man davon ausgeht, dass im fortgeschritteneren Alter die Antworten ohne Suche kommen.

Empty Nesting Muttertag: ein Grund zum Feiern

Gerade der Muttertag kann für Empty-Nesting Mütter eine gute Gelegenheit sein, sich darüber klar zu werden, dass mit der Abnabelung der Kinder sehr unterschiedliche Gefühle verbunden sein können. Empty Nesting ist ein ganz normaler Teil des Lebens, aber so ein einschneidender Übergang braucht eben seine Zeit. Ich finde, dass wir uns auch Tiefe im Leben versagen, wenn wir nur einen Teil der Gefühle akzeptieren wollen.

Die Nach-Familienphase bietet insbesondere für Frauen viele Möglichkeiten, sich noch einmal neu zu orientieren. Auch wenn anfangs vielleicht nicht klar ist, wohin die Reise gehen soll, so führt die konsequente Beschäftigung mit dieser Frage doch zwangsläufig zu mehr Klarheit. Und wenn die gedankliche Beschäftigung nicht weiterführt, dann gibt es genügend Gelegenheiten, sich Unterstützung zu holen (Arbeitsamt, Coaching, Kurse…). Ganz bestimmt ist der Muttertag auch für Empty-Nester Mütter ein Grund zum Feiern. Und deshalb: Herzlichen Glückwunsch zum Muttertag.


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