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9 Grundrechte für eine erfüllte 2. Lebenshälfte: ein Manifest

Inspiriert von Ulrich Schaffers Buch Grundrechte, habe ich meine Gedanken zur erfüllten zweiten Lebenshälfte als Grundrechte formuliert. Sie gelten natürlich nicht ausschließlich für die zweite Lebenshälfte, aber im Laufe des Lebens sind vermutlich einige davon schon selbstverständlich geworden. Diejenigen, die es noch nicht sind, mögen als Anregung dienen. Mit der Formulierung dieser Rechte möchte ich auch zu einem positiven Bild vom Älterwerden beitragen.
Die Beanspruchung und Bejahung dieser Rechte – davon bin ich überzeugt – führt zu einem erfülltem Leben in der zweiten Lebenshälfte. Ich hätte auch „glückliches“ Leben schreiben können. Aber – und das eine weitere Überzeugung – ich finde, dass Glück aus der Erfüllung folgt. Und weil Erfüllung ein schwammiger Begriff ist, hier gleich noch mein Verständnis davon: Erfüllung erfahren wir, wenn wir in Einklang mit unseren Werten (also dem, was uns wichtig ist) leben und das, was wir tun, als sinnvoll erleben.

Korina Dielschneider

  1. Du hast das Recht, dein Potenzial zu leben
    Potenziale werden auf unterschiedlichste Weise definiert. Ich verstehe darunter das, was ein Mensch an Talenten und Neigungen in die Welt mitgebracht hat. Manche deiner Potenziale wurden vielleicht schon von deinen Eltern gefördert, andere hast du aus eigenem Antrieb verwirklicht und wieder andere sind vielleicht im Laufe des Lebens unter die Räder geraten, weil dir anderes wichtiger war.
    Ab der Lebensmitte rühren sich insbesondere die nicht gelebten Potenziale. Sie können sich als undefinierte Aufbruchssehnsucht bemerkbar machen. Das ist die Art, wie unsere Seele uns mitteilt, dass es noch etwas gibt, das verwirklicht werden will. Es gibt viele Arten, diese verschütteten Möglichkeiten ins Leben zu bringen. Nehmen wir an, du hättest eine Sehnsucht danach, singen zu können. Dieses Potenzial darfst du ernst nehmen, selbst wenn du vermutlich keine begnadete Sängerin mehr werden wirst. Aber du könntest diese Sehnsucht trotzdem auf vielfältige Weise leben: Du könntest z.B. an Rudelsingen teilnehmen, dich in einem Chor anmelden oder Gesangsunterricht nehmen. Vielleicht würdest du durchs Ausprobieren feststellen, dass hinter dieser Sehnsucht eigentlich steht, dass du dich mit anderen Menschen in Harmonie verbunden fühlen möchtest.

  2. Du hast das Recht, neu anzufangen
    Eines vorweg: ich bin davon überzeugt, dass jedes Alter das richtige ist für eine Neuorientierung. Es gibt allerdings einige Kräfte, die dieses Recht gefährden und sie basieren vermutlich alle auf falschen Annahmen. Nehmen wir an, du bist in deinem Job nicht mehr glücklich. Vielleicht hast du die irrige Vorstellung, dass man jenseits der 50 keinen neuen Job mehr bekommt. Ich kenne persönlich mehrere Gegenbeispiele. Der Arbeitsmarkt ist gerade eher günstig ist für Arbeitsuchende. Natürlich braucht es relevante Erfahrungen und Kenntnisse und vielleicht brauchst du auch Unterstützung beim Bewerbungsprozess. Aber das sind bewältigbare Hürden.
    Schwerer fassbar ist es vermutlich, wenn du bereits spürst, dass deine derzeitige Situation irgendwie unbefriedigend ist, du aber keine Vorstellung davon hat, wie das Neue aussehen soll. Einige Strategien, wie du herausfinden kannst, was du willst, habe ich hier beschrieben.
    Selbst wenn es bereits klar ist, dass das Bestehende seinen Reiz verloren hat und es Zeit wird, etwas Neues anzufangen, brauchen viele Menschen eine konkrete Vorstellung des Neuen, bevor sie das Alte beenden können. Was aber, wenn das Alte so viele Kräfte bindet, dass es unmöglich ist, herauszufinden, wie das Neue aussehen könnte, ohne das Alte loszulassen?
    Vielleicht hindert dich auch ein weit verbreiteter Glaubenssatz daran, neu anzufangen: „Was man begonnen hat, muss man auch zu Ende führen“. Das bringt man oft Kindern bei, damit sie lernen, sich auch einmal in schwierigen Situationen durchzubeißen. Du bist jetzt in der Lebensmitte und musst niemandem mehr beweisen, dass du das kannst. Du darfst dir das Recht herauszunehmen, Dinge zu beenden, die sich nicht mehr richtig anfühlen.

  3. Du hast das Recht, dir Hilfe zu holen
    Wenn du vor einer Aufgabe stehst, die du scheinbar nicht bewältigen kannst, dann liegt es vielleicht daran, dass dir eine Fertigkeit fehlt. Vielleicht musst du eine wichtige Rede halten und du hast niemals rhetorische Prinzipien gelernt und hast obendrein noch Lampenfieber. Quäle dich nicht unnötig damit, sondern hol dir Hilfe. Es gibt für fast alles Experten, die ihr Wissen sehr gerne teilen, so auch für die Kunst, eine gute Rede zu halten. Mit guter Anleitung wirst du ein sehr viel besseres Ergebnis erzielen und es wird sich leichter anfühlen und zudem noch dein Selbstvertrauen stärken. Du würdest vermutlich auch nicht auf die Idee kommen, von deinem Kind zu verlangen, dass es sich selbst das Gitarre-Spielen beibringt.
    Noch ein zweites Beispiel: Du würdest gerne ein Buch schreiben. Das Schreiben eines Buches ist eine komplexe Angelegenheit, die aus viel mehr besteht als dem Schreiben. Du darfst dir Hilfe holen und du darfst in deine Träume investieren. Es wäre doch schade, wenn du deinen Traum aus falschem Stolz oder mangelndem Selbstwertgefühl nicht verwirklichst.

  4. Du hast das Recht, schwach zu sein
    Dieses Recht hängt eng mit dem vorherigen Punkt zusammen. Manche Menschen haben einen „Sei stark“-Antreiber. Du fragst dich gerade, was ein Antreiber ist? Du kannst ihn dir bildlich wie einen Kameltreiber vorstellen, der ein unwilliges Kamel vor sich hertreibt. Nur, dass du gleichzeitig der Kameltreiber und das Kamel bist. Eine umfassendere Erklärung dazu findest du hier.
    Kennst du diese Aussagen? „Augen zu und durch“, „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „Aufgeben ist keine Option“? Sprichst du manchmal so mit dir selbst? Dann hast du vermutlich einen „Sei stark“-Antreiber. Der führt dann zwar einerseits dazu, dass du sehr belastbar bist. Andererseits kannst du vermutlich keine Hilfe annehmen. Eine Möglichkeit, diesem Verhalten, das sich unter Stress verstärkt, entgegenzuwirken ist, dir die Erlaubnis zu geben oder einzuholen: Du darfst schwach sein – du darfst Hilfe annehmen.
    Ein wichtiger Hinweis: das Thema Antreiber wird auch bei den nächsten Punkten eine Rolle spielen. Es ist hier verkürzt dargestellt und kann kein Coaching ersetzen.

  5. Du hast das Recht, das Leben leicht zu nehmen
    Dieses Recht ist insbesondere für Menschen eine Herausforderung, die immer viel geleistet haben. Leistung und Kräfte messen kann etwas Wunderbares sein, wenn es aus freier Entscheidung heraus geschieht. Das heißt, wenn es die Wahl gibt, ob du etwas leisten möchtest oder nicht. Wenn du etwas leisten musst, um dir Zugehörigkeit oder Liebe zu verdienen, ist das eine ganz andere Sache. Dieses Verhaltensmuster stammt oft noch aus der Kindheit. Vielleicht haben dich deine Eltern gelobt, wenn du etwas gut gemacht hast. Vielleicht hattest du den Eindruck, dass sie dich überhaupt nur wahrgenommen haben, wenn du etwas geleistet hast und daraus hat sich die Vorstellung entwickelt, dass du immer etwas leisten musst, um geliebt zu werden. Und so hast du das Tauschgeschäft „Leistung gegen Liebe/Anerkennung“ ganz tief in dir verinnerlicht. Aber du weißt inzwischen vermutlich, dass dies nur deine Sicht auf die Dinge ist und du auch anders darüber denken könntest. Spätestens ab der Lebensmitte darfst du diese Vorstellung loslassen. Du darfst darauf vertrauen, dass es reicht, wenn du das tust, was dir aufgrund deiner Talente und Neigungen leicht fällt. Du darfst das Leben leicht nehmen.

  6. Du hast das Recht, Fehler zu machen
    Falls du zu stark ausgeprägtem Perfektionismus neigst, wird es Zeit, ihn in seine Schranken zu weisen. Oft wird dieser Perfektionismus gespeist aus dem Gefühl, nicht gut genug zu sein. Auch das ist einer der oben erwähnten Antreiber. In manchen Bereichen ist Perfektionismus unabdingbar. Wenn du eine Operation vor dir hast, dann möchtest du gerne von einem Arzt operiert werden, der keine Fehler macht. Aber in den allermeisten Fällen ist der Perfektionismus nicht überlebenswichtig. Überlege einmal, wie viel Energie du darauf verwendest, bloß keine Fehler zu machen?! Jeder Mensch macht Fehler – und es sind oft die Fehler, die im Nachhinein den Stoff für Anekdoten ergeben. Fehler machen uns nahbar und menschlich. Perfektionisten schüchtern mich oft ein, weil ich denke, dass ich ihren Standards sowieso nicht genügen kann. Eigentlich schade, oder?

  7. Du hast das Recht auf dein eigenes Tempo
    Wir brauchen eine gewisse Lebenserfahrung und vor allem Selbstvertrauen, um uns dem Diktat des „höher-schneller-weiter“ zu entziehen. Vielleicht geht dir manches nicht mehr so schnell von der Hand wie früher – und das ist in Ordnung. Du hast viel Erfahrung und Urteilsvermögen und kannst dadurch manchen Irrweg vermeiden. Außerdem bist du inzwischen wirklich alt genug, um dich nicht länger mit anderen zu vergleichen. Das Leben ist schließlich kein Wettkampf!

  8. Du hast das Recht, deine Bedürfnisse an erster Stelle zu setzen
    Ein weiterer weit verbreiteter Antreiber ist der „Mach es allen Recht“-Antreiber. In der Extremausprägung könnte man ihn als Harmoniesucht bezeichnen. Falls du diesen Antreiber hast, dann stellst du die Bedürfnisse der anderen über deine eigenen. Das ist natürlich sinnvoll, wenn es um Neugeborene und sehr kleine Kinder geht. Aber selbst Dreijährige müssen lernen, dass sie nicht immer alles sofort bekommen können.
    Speziell in Verbindung mit Perfektionismus (Punkt 6) lädt dieses Verhaltensmuster so viel Stress ein in dein Leben, dass ein erfülltes Leben quasi unmöglich ist. Es ist Zeit, dass du eine Entscheidung für dich triffst: Deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche sind auch wichtig.

  9. Du hast das Recht, du selbst zu sein
    Das Schöne am Älterwerden ist es, dass du dich im Laufe der Jahre immer besser kennengelernt hast. Du hast eine Vorstellung davon, wer du bist und dass du dich nicht verbiegen musst, um irgendeiner Norm zu entsprechen. Du bist dir selbst deine beste Freundin. Du genießt die Gesellschaft mit dir selbst und liebst dich mit all deinen Besonderheiten.

Wie fühlt es sich für dich an, dir die zweite Lebenshälfte so vorzustellen?
Was würde sich für dich verändern, wenn du diese Rechte für dich wirklich beanspruchen würdest?

Das Thema hat dich angesprochen und du würdest gerne herausfinden, was für dich möglich ist?

Dann vereinbare doch einen kostenlosen und unverbindlichen Kennenlerntermin mit mir. Wir können den Termin telefonisch oder per ZOOM durchführen und dabei kannst du herausfinden, wie deine nächsten Schritte aussehen könnten.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Susan

    Ein starkes Manifest. So was braucht die Welt. Nicht immer nur: Du musst und du sollst.

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