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Rezension: Entscheiden ist einfach

In einem Aufbruch-Netzwerktreffen habe ich zum Thema Entscheiden einen Impuls vorbereitet. In weiten Teilen habe ich mich dabei auf das Buch „Entscheiden ist einfach“ von Philip Meissner gestützt. Meissner leitet den Lehrstuhl für strategisches Management an der ESCP Europe in Berlin, wo er den Einfluss von Wahrnehmungsverzerrungen auf das menschliche Handeln untersucht und Methoden entwickelt, die Entscheidungsprozesse verbessern sollen. Für das Aufbruch-Netzwerktreffen fand ich das Thema deshalb interessant, weil wir mit Entscheidungen unser Leben gestalten und gute Entscheidungen maßgeblich zur Lebenszufriedenheit beitragen. Was ich durch das Buch gelernt habe, beschreibe ich in dieser Rezension.

Zahlen, Daten, Fakten zum Buch

  • Titel: Entscheiden ist Einfach – Wenn man weiß, wie es geht
  • Autor: Philip Meissner
  • Hardcover gebunden, 189 Seiten – ich habe es als eBook gelesen,
  • Herausgeber: Campus Verlag
  • ISBN: 978-3593510613
  • Erschienen: 2019

Das Buch umfasst eine Einleitung und 4 weitere Kapitel: Die Psychologie schlechter Entscheidungen, Sieben Strategien für bessere Entscheidungen (das Kernstück des Buchs), ein Kapitel zur Achtsamkeit und eines zum Thema bessere Entscheidungen im Alltag. Bereits auf den ersten Blick wirkt gut strukturiert. Dieser Eindruck bestätigt sich beim Lesen und erleichtert die Lektüre.

Warum habe ich das Buch gelesen?

Meissner sagt, dass man lernen kann, gute Entscheidungen zu treffen. Einerseits finde ich es immer spannend, ob Konzepte aus der Unternehmens- oder Wissenschaftswelt auf den Alltag anwendbar sind. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass wir im Leben zwar nicht alles in der Hand haben, aber wir durch kluge Entscheidungen ein zufriedeneres Leben führen können. Mein Motto lautet nicht von ungefähr: Ich bin nicht das Ergebnis meiner Lebensumstände. Ich bin das Ergebnis meiner Entscheidungen. (Stephen Covey)

Der Mensch neigt zu Wahrnehmungsverzerrungen

Ein spannendes Kapitel des Buches dreht sich um das Thema Wahrnehmungsverzerrungen. Der Autor ist Wissenschaftler und teilt viele Forschungsergebnisse, die es in diesem Bereich gibt. Bekannteres, wie den Bestätigungsfehler, aber auch unbekannteres wie den IKEA-Effekt oder den HALO-Effekt. Dadurch wird deutlich, dass der Mensch keine natürliche Veranlagung für rationale Entscheidungen hat und das in seinem Entscheidungsprozess berücksichtigen muss, wenn er eine gute Entscheidung treffen will.

Gute Entscheidungen sind erlernbar

Der Autor stellt einen siebenstufigen Prozess vor. Wer ihm folgt, hat sichergestellt, dass er möglichst viele relevante Facetten bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Gut gefallen hat mir das Beispiel des Unternehmers Paul, der vor der Entscheidung steht, ob der sich aus dem polnischen Markt zurückziehen soll. Jeder der sieben Schritte wird anhand dieses Beispiels illustriert und dadurch nachvollziehbarer. Es ist ein Beispiel aus dem Unternehmenskontext. Aber auch im privaten Kontext gibt es ähnlich komplexe und weitreichende Entscheidungen, z.B. der Wechsel der Arbeitsstelle oder den Kauf einer Immobilie.

Wichtig ist die Annahme des Autors, dass wir heute nur den Prozess der Entscheidungsfindung beurteilen können, die Auswirkungen der Entscheidung in der Zukunft jedoch nicht. Und nur unter diese Annahme ist die Aussage sinnvoll, dass gute Entscheidungen erlernbar sind. Aber da wir Umweltbedingungen und die Zukunft weder kontrollieren noch vorhersagen können, ist ein guter Entscheidungsprozess das Einzige, das wir heute tun können.

Meine wesentlichen Erkenntnisse

Ein siebenstufiger Prozess hört sich langwierig an – und doch denke ich, dass wir weitreichende Entscheidungen gut vorbereiten sollten. Dafür halte ich diesen Prozess für sehr gut geeignet. Aber auch für kleinere Entscheidungen werde ich zukünftig einige Elemente verwenden, wie z.B. die Frage danach, welches Problem ich überhaupt lösen will. Eine genaue Analyse ist nicht sehr aufwändig und kann durch wiederholte Fragen nach dem Warum erfolgen. In Unternehmen ist dies als die 5-Why-Methode bekannt. Wie viele Warum-Fragen es letztlich sein müssen, hängt von der Vielschichtigkeit des Problems ab. Oft reichen auch 3 Fragen, wie das nachfolgende Beispiel zeigt:

BEISPIEL

Claudia arbeitet seit Jahren 50% und überlegt jetzt, ob sie ihre Arbeitszeit auf 80% erhöhen soll. Sie fragt 3 Mal „Warum“:

  1. Warum willst du die Arbeitszeit erhöhen?
    Weil ich mich beruflich weiterentwickeln möchte.
  2. Warum willst du dich beruflich weiterentwickeln?
    Weil ich eine neue Herausforderung auf der Arbeit suche.
  3. Warum suchst du eine neue Herausforderung auf der Arbeit?
    Weil mein jetziger Job mich langweilt und ich dadurch unzufrieden werde.

Jetzt weiß Claudia, dass es ihr um die Herausforderung auf der Arbeit geht. Es ist nicht zwangsläufig, dass sie ihre Arbeitszeit erhöhen muss, um neue Aufgaben im Job zu übernehmen.

Auch den Hinweis darauf, dass wir die richtigen Menschen um Rat fragen sollen, war erhellend. Nicht diejenigen aus dem nächsten Umfeld, sondern gezielt nach Menschen suchen, die diese Entscheidung bereits getroffen haben. Und natürlich auch Menschen, die eine andere Meinung haben. Wenn wir neugierig versuchen, ihre Argumente zu verstehen, erkennen wir vielleicht, wo unsere eigene Entscheidungsgrundlage noch Lücken hat.

Ebenfalls nützlich fand ich die Ausführungen zum Stress-Test für Entscheidungen. Der Kniff besteht darin, sich vorzustellen, dass die Entscheidung bereits gescheitert wäre. Man begibt sich also gedanklich in die Zukunft und stellt sich vor, dass der Jobwechsel sich als Flop erwiesen hat. Dann schreibt man sich alle Gründe auf, warum das so war. Außerdem schreibt man für jeden dieser Gründe eine mögliche Gegenmaßnahme auf. Auf diese Weise werden vermutlich weitere Aspekte sichtbar, die für die Entscheidung eine Rolle spielen können und man kann die ein oder andere Gegenmaßnahme bei der Umsetzung der Entscheidung berücksichtigen.

Mehr berücksichtigen werde ich künftig, Entscheidungen nicht spontan zu treffen, sondern darüber zu schlafen. Eigentlich weiß ich das, aber die Erinnerung daran ist immer wieder wertvoll. Dadurch werden nicht nur emotionale Entscheidungen verhindert, sondern das Unterbewusste kann seine Kraft entfalten und uns eventuell auf neue Ideen bringen. Besonders gefallen haben mir die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die uns dazu ermutigen, den Prozess der Entscheidungsfindung bewusst zur Seite zu legen und etwas ganz anderes zu tun. 

Last but not least der Hinweis darauf, dass wir NICHT nicht entscheiden können. Auch das Aussitzen einer Entscheidung ist eine Entscheidung. Die Entscheidung für den Status Quo. Wer das nicht will, dem könnte es helfen einen Termin für die anstehende Entscheidung zu setzen.

Die fehlende Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen, führt dazu, dass wir Chancen verpassen und notwendige Entscheidungen aufschieben. Ironischerweise hindert uns unsere Angst vor einer schlechten Entscheidung oft daran, eine gute Entscheidung zu treffen.

Philip Meissner in „Entscheiden ist einfach“

Eine gute Ergänzung zum Buch fand ich übrigens auch den Business-Punk Podcast (Folge 34), in dem Tijen Onaran mit dem Autor über Entscheidungsfindung spricht.

Wem würde ich das Buch empfehlen?

Allen, die sich schwertun mit Entscheidungen und daran etwas ändern wollen. Ebenso interessant könnte es für Menschen sein, die etwas mehr über das menschliche Entscheidungsverhalten erfahren möchten, ohne in einem Meer von Informationen zu ertrinken. Auch wenn der Autor Professor ist, ist es so geschrieben, dass es leicht zu lesen ist: Eine gute Struktur und eine einfache Sprache ohne Wissenschaftsjargon tragen erheblich zu diesem Eindruck bei.

Entscheiden ist einfach?

Ja, wenn man weiß, was zu entscheiden ist, dann ist Entscheiden einfach. Das Buch geht davon aus, dass die Entscheidungssituation klar ist. Im Aufbruch-Netzwerktreffen kam die Frage auf, wie man denn an diesen Startpunkt komme. Das hört sich zunächst etwas merkwürdig an, denn wenn nicht klar ist, dass es überhaupt ein Problem gibt, warum sollte man sich dann entscheiden?

Für mich weist diese Frage darauf hin, dass wir etwas nicht auf die Verhaltensebene ändern können, wenn es auf der Identitätsebene etwas zu klären gibt. (Siehe hierzu meine Ausführungen zu Theorie der Veränderungen im Blogbeitrag über Neujahrsvorsätze). Bei der Neuorientierung in der Lebensmitte könnte dies der Fall sein. Wenn sich beispielsweise die Identität als Mutter bzw. Vater auflöst, weil die Kinder flügge werden und noch nicht klar ist, wie die neue Identität aussehen soll, dann kann man zwar entscheiden, dass man diesem Thema Raum einräumen will, aber der siebenstufige Prozess wird nicht funktionieren, weil bereits die erste Stufe (welches Problem will ich eigentlich lösen) zunächst nicht zu beantworten ist.

Wenn wir diese Unterscheidung berücksichtigen und den Prozess auf der operativen Ebene einsetzen, dann wird er sehr gute Dienste leisten.


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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Nicole

    Liebe Korina,
    herzlichen Dank für diese spannende und hilfreiche Rezension, ich werde das Buch auf jeden Fall selbst lesen und einer Freundin empfehlen.
    Herzliche Grüße
    Nicole

    1. Liebe Nicole,

      das freut mich sehr. Vermutlich werde ich auch irgendwann noch einmal den Vortrag zum Thema Entscheidungen halten. Falls das für deine Freundin interessant ist.

      Herzliche Grüße, Korina

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