Neulich habe ich mit einer Bekannten über unseren kostenlosen Online-Event Aufbruch in der Lebensmitte gesprochen. Sie fand das Konzept interessant und fügte hinzu, dass sie sich da ja (glücklicherweise) noch nicht sehe. Sie ist 40. Ist ja interessant dachte ich. Und habe mich auf die Suche begeben.
Was ist die Lebensmitte?
Die Mitte des Lebens ist der Moment größter Entfaltung, wo der Mensch noch mit seiner ganzen Kraft und seinem ganzen Wollen in seinem Werk steht. Aber in diesem Augenblicke auch wird der Abend geboren, die zweite Lebenshälfte beginnt.
C.G. Jung
Das Zitat legt bereits den Vergleich zum Tagesablauf nahe. Die Lebensmitte ist vergleichbar mit der Tageszeit, in der die Sonne am höchsten steht. Um die Mittagszeit ist es warm und hell und es dauert mehrere Stunden bis sich der Stand der Sonne so verändert hat, dass wir an den Sonnenuntergang denken. Im Unterschied zum Tagesablauf, können wir aber die Lebensmitte nicht zahlenmäßig genau fassen. Die Lebensmitte ist vielmehr eine Phase des Übergangs, die sich über mehrere Jahre erstrecken kann – so wie mit dem Mittag ja auch nicht nur die Uhrzeit 12:00 gemeint ist. Der Mittag markiert die Wende vom Vor- zum Nachmittag – und die Lebensmitte ist der Übergang von der ersten in die zweite Lebenshälfte.
Das Lebensphasen-Modell nach Guardini
Es gibt viele Lebensphasen-Modelle. Mir gefällt das von Romano Guardini sehr gut. In seinem Büchlein „Die Lebensalter“ hat er dargestellt, dass der Mensch durch bis zu 6 Lebensphasen hindurchgeht und die einzelnen Phasen durch typische Krisen getrennt werden, die die nächste Phase einleiten. Die Pubertät ist z.B. so eine Krise (Guardini bezeichnet sie als Krise der Reifung). Die Lebensmitte kennzeichnet den Übergang vom mündigen zum ernüchterten Menschen. Die Krise zwischen den beiden Phasen nennt Guardini die Erfahrung der Grenze. Auf neudeutsch besser bekannt als Midlife-Crisis.
Der mündige Mensch ist auf der Höhe seiner Kraft – er steht sozusagen im Zenit: innerlich gefestigt, zuverlässig und integer. In diese Lebensphase fällt das gründen, verteidigen und Traditionen schaffen. Es ist die Phase, in der unglaubliches geleistet wird, in der sich Menschen verausgaben und die Kerze an beiden Enden abbrennen.
Der ernüchterte Mensch sieht die Einschränkungen und Zumutungen des Lebens und nimmt sie an. Es ist wie es ist, könnte sein Motto lauten. Diese Menschen erfüllen die Forderungen von Beruf, Familie und Gesellschaft, weil sie wissen, dass es notwendig ist und dass sie es können. Es geht nicht mehr um leuchtende Siege, sondern um Sinn und Beständigkeit.
Zwei prominente Vertreterinnen, die den Unterschied verdeutlichen: Annalena Baerbock und Angela Merkel.
Wann genau ist denn nun die Lebensmitte?
Wie vermutet gibt es keine eindeutige Antwort. Hier eine Auswahl:
- Die breiteste Definition, die ich gefunden habe, umfasst die Jahre zwischen 35 und 59.
- Bei Guardini liegt diese Phase zwischen Ende der 20er und Anfang der 40er Jahre.
- C.G. Jung hat die Lebensmitte, also den Wendepunkt, bei 36 Jahren gesehen (okay, er hat von 1875 bis 1960 gelebt – seither hat sich vieles verändert)
- Rein statistisch gesehen liegt die Mitte irgendwo um die 40 Jahre (Die Lebenserwartung von Mädchen in Deutschland liegt derzeit um die 83 Jahre, die von Jungs um die 78 Jahre). Weil das aber nur ein statistischer Durchschnittswert ist, ist die tatsächliche Lebensmitte individuell unterschiedlich – und nicht vorhersehbar.
- Bei einer Umfrage auf LinkedIn habe ich folgende Antworten erhalten.
Diese LinkedIn Umfrage war für mich total bemerkenswert, denn innerhalb kürzester Zeit gab es viele Antworten und Kommentare. Das zeigt mir, dass die Lebensmitte ein Thema ist, die viele Menschen bewegt. Das ist nicht verwunderlich, denn 2018 waren knapp 29% der Menschen in Deutschland zwischen 40 und 59 Jahre alt.
Spannend fand ich, warum die Antworten so uneindeutig sind.
Die individuelle Situation bestimmt den Standort
Die Lebensentwürfe sind so unterschiedlich wie nie zuvor. Frauen können heute ihre familiäre Situation freier wählen als je zuvor. Kinder bekommen oder nicht? Das erste Kind mit Anfang zwanzig oder erst mit Anfang 40? Es sitzen also unter Umständen Frauen in einem Geburtsvorbereitungskurs, die Mutter und Tochter sein könnten. Dementsprechend sind die individuellen Situationen sehr unterschiedlich.
Auch die berufliche Situation spielt eine Rolle: eine Frau, die mit Mitte 40 wieder voll in den Beruf einsteigt hat eine andere Situation als die kinderlose Frau mit 20 Jahren Berufserfahrung.
Das „Gefühl Lebensmitte“ wird vermutlich auch von der Annahme über die eigene Lebenserwartung beeinflusst. Viele Menschen haben so eine innere Erwartung, auch wenn eher selten darüber gesprochen wird. Je jünger der Mensch, desto eher liegt diese Erwartung verborgen. Vermutlich ist es sogar so, dass wir erst im Rückblick sagen können, wann die Lebensmitte war.
Auch die eigene Einstellung gegenüber dem Alter spielt eine große Rolle. In einer Gesellschaft, in der Jugend als Ideal gilt und Alter eher negativ gewertet wird, ist die Versuchung groß, vor dem Thema Älterwerden die Augen zu verschießen und es mit Geschäftigkeit zu überdecken. Spätestens wenn das letzte Kind aus dem Elternhaus ausgezogen ist, wird es schwieriger vor den anstehenden Veränderungen die Augen zu verschließen.
Die Krise in der Lebensmitte
Wie eingangs erwähnt ist die Lebensmitte eine Phase des Übergangs. Dieser Übergang verläuft für manche Menschen relativ unbemerkt. Für andere äußert er sich als Krise. Wenn ein oder mehrere Faktoren zusammentreffen, entsteht plötzlich Veränderungsdruck:
- Die Kinder lösen sich von zu Hause und es entsteht mehr Freiraum
- In dem Freiraum fällt auf, dass der Job oder die Partnerschaft nicht mehr erfüllend ist
- Der Körper verändert sich: graue Haare, Fettansammlungen am Bauch….
- Die Psyche ist in Bewegung: Stimmungsschwankungen und innere Unsicherheit
- Die Konfrontation mit körperlichen Einschränkungen oder dem Tod von geliebten Menschen führt die Endlichkeit des Lebens vor Augen
Die Kombination dieser Faktoren kann zu einem persönlichen Unwohlsein führen. Es entsteht ein Riss im bisherigen Leben und typischerweise werden Fragen gestellt wie Kann das wirklich alles gewesen sein? Passt dieses Leben noch zu mir? Welche Träume will ich noch leben, solange es noch möglich ist?
Die Chance der Midlife Krise
Die gute Nachricht ist, dass in der Krise auch eine Chance liegt. Der Veränderungsdruck mobilisiert Energien, die notwendig sind, damit sich etwas ändert. Dabei muss es gar nicht immer eine spektakuläre Änderung sein. Sich auf den Weg zu machen um herauszufinden, was es braucht, damit wir wieder zufrieden sein können, ist ein erster Schritt. Vielleicht ist es nur eine lang ersehnte Reise oder es fehlt eine sinnstiftende Tätigkeit. Vielleicht ist es tiefgreifender? Egal was es ist: die Lebensmitte ist eine gute Zeit, um die Weichen gut zu stellen.
Fazit
Die Lebensmitte ist ein vielschichtiges Phänomen und wissenschaftlich nicht eindeutig einzugrenzen. Es ist eine Phase, die den Übergang von der ersten in die zweite Lebenshälfte beinhaltet. Teilweise wird dieser Übergang als Krise erlebt. Das finde ich persönlich überhaupt nicht schlimm, denn in der Krise liegt die Chance auf den Aufbruch in ein zufriedeneres Leben.
Wenn Dich das Thema beschäftigt, dann komm doch in das kostenlose Online-Netzwerktreffen Aufbruch Lebensmitte. Dort erhältst du Impulse zum Thema und kannst dich mit Gleichgesinnten austauschen.
Schönes Thema und fundiert, informativ und einfühlsam geschrieben. Er hat mich dazu gebracht, bewusst über meine Lebensmitte nachzudenken und das Schöne daran zu sehen. Danke 😊!
Liebe Shau Chung,
was für eine schöne Rückmeldung! Genau deshalb schreibe ich. Es freut mich sehr, wenn meine Gedanken zum Nachdenken anregen – und wenn durch das Nachdenken sich die Schönheit zeigt ist das wunderbar.
Danke dir für die Rückmeldung und herzliche Grüße, Korina
Gute Frage und toller Bericht dazu! Danke!
Deine Blogger-Kollegin
Jeannine
Liebe Jeannine,
es freut mich, dass dich die Frage angesprochen hat – und deine RÜckmeldung ja sowieso.
Vielen Dank und herzliche Grüße,
Liebe Korina
Sehr schön dein Artikel über die Lebensmitte! Ich bin 54 und kann sehr wohl nachvollziehen, worüber du schreibst.
Neige ich doch immer wieder dazu es etwas zu verdrängen, lieber noch jung sein zu wollen, tut es mir gut ganz nüchtern
diese Dinge zu beleuchten und meinen Frieden darin zu finden.
Danke für die Impulse
Marianne
Sehr gerne liebe Marianne. Es freut mich, wenn ich dir damit einen Zufriedenheits-Impuls geben konnte. Früher oder später kommen wir an dem Thema nicht vorbei. Es mit Würde anzunehmen ist etwas, auf das wir stolz sein können (und worin wir Vorbild für die nächste Generation sein dürfen).
Herzliche Grüße, Korina