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Aufbruch Lebensmitte: Interview zum Thema Morgenroutine

Dieses Interview entstand im Rahmen des „Aufbruch Lebensmitte Netzwerktreffens“. Ungefähr ein Mal im Monat treffen sich Frauen ab der Lebensmitte online zum Austausch. Am 22. September 2023 war Cordula Steger zu Gast und wir haben uns über ihre Morgenroutine unterhalten. Hier findest du weitere Infos zu diesem Format und kannst dich dafür anmelden: Anmeldelink


In einem meiner buntbriefe habe ich darüber geschrieben, wie ich eine Morgenroutine ausprobiere. Daraufhin hat sich Cordula gemeldet, die damit schon länger Erfahrung hat. Daraus ist die Idee für das Interview über Morgenroutinen beim Aufbruch Netzwerktreffen entstanden

Cordula, was verstehst du unter einer Morgenroutine?

Routinen sind für mich bewusst gestaltete Abläufe. Ich habe mich dafür entschieden, Dinge herauszufinden und dann zu wiederholen, dir mir in der Früh guttun und die mir Kraft und Schwung geben. So gesehen ist eine Morgenroutine mein persönliches Muster, mit dem ich voller Wohlbefinden in den Tag starte. Ich bekomme dadurch Zugang zu meiner Konzentration, meinen Ideen und meiner Kreativität, um auch bei meiner Arbeit gute Ergebnisse zu erzielen.

Gibt es einen Unterschied zwischen Morgengewohnheiten und Morgenroutine?

Ich finde, ja. Für Routinen habe ich mich bewusst entschieden.

Gewohnheiten sind automatisierte und gut eingespielte Verhaltensmuster. Es gibt einen Reiz (wie z.B. das Weckerklingen) und wir reagieren darauf automatisch und ohne groß nachzudenken. Wie ein Autopilot im Gehirn. Das spart dem Gehirn viel Energie. Gewohnheiten schützen uns also vor Überforderungen.
Damit sich Gewohnheiten bilden, müssen sie für uns einen Nutzen haben oder eine Belohnung bereithalten und oft genug wiederholt werden.

Unser Gehirn unterscheidet aber nicht zwischen guten und schlechten Angewohnheiten. Hauptsache Belohnung. Wenn ich jeden Tag abgehetzt auf die letzte Sekunde den Bus erreiche, habe ich doch meine Belohnung. Der Preis aber für den vorherigen Stress ist langfristig hoch.

Gewohnheiten fragen auch nicht nach einem Sinn. So zum Beispiel: Wo will ich gesundheitlich in ein, zwei oder fünf Jahren stehen? Bringt mich das meinem Ziel näher, z. B. mehr Entspannung zu leben?


Und was sind die Vorteile von Routinen?

Oh, da sehe ich einige:

  • Routinen entlasten und erleichtern – in dieser Hinsicht sind sie ähnlich wie Gewohnheiten.
  • Sie geben Sicherheit: Ich weiß, was mir guttut und mich stärkt. Ich kann vertrauen.
  • Sie geben Energie und Motivation: Es geht leicht von der Hand.
  • Sie geben Struktur.
  • Sie schaffen innere Ausgeglichenheit.
  • Sie stärken das Selbstbewusstsein. Der Fokus auf sich und die anstehenden Aufgaben wird klarer.

Wie kam es dazu, dass du eine Morgenroutine entwickelt hast?

Mein Morgenablauf war jahrelang sehr zielführend, so kann man es sagen. Ich hatte immer alles geschafft. Irgendwie. Aber die Belastung war hoch. Dann hatte ich einmal 14 Tage ganz für mich, eine richtige Allein-Zeit. Raus aus diesem Versorger-Muster. Da merkte ich, ich brauche was ganz anderes.

Was ist dir in dieser Allein-Zeit aufgefallen? Was brauchst du morgens?

In der Früh brauche ich

  • frische Luft
  • Bewegung: Minimum ist strecken, räkeln, kurzes Mobilisieren bis hin zu einer Stunde Fitness
  • aber vor allem Stille, also noch keine Gespräche, kein Handy, keine Nachrichten oder Musik. In anderen Worten: alles, was von außen auf mich zukommt, brauche ich nicht frühmorgens.
  • ein für meine Verhältnisse ziemlich langsames Tempo.

Was ist das Wesentliche an deiner Morgenroutine?

Kernpunkt meiner Morgenroutine ist: „Zeit nur für mich“. Mal ist diese Zeit kurz (wenn ich zu Terminen muss). Wenn ich mehr Zeit habe, nehme ich mir bis zu einer Stunde.

Die Zeit für dich könntest du dir auch zu jeder anderen Zeit nehmen. Warum also morgens?

Für mich ist die kostbarste Zeit des Tages, die beim Aufwachen. In diesem Übergang zwischen Schlaf und bereit sein für den Tag, bin ich gerne ungestört. Deshalb stelle ich den Wecker absichtlich früher, die Weckwiederholung hat sich für mich als feine Sache erwiesen.

Morgens ist mein Kopf klar. Wie leer geträumt oder -sortiert. Oft tauchen Gedanken auf, klare Ideen für die Organisation des Tages, stimmigere Reihenfolgen, Lösungen von Aufgaben. Auch Formulierungen für Texte sind plötzlich da. Ein Buch am Bett ist immer griffbereit für Aufzeichnungen.

Durch das frühe Wachwerden genieße ich die Wahlfreiheit: Ob ich noch mehr aufschreibe, eine kurze Runde spazieren gehe, ein paar Minuten nach draußen schaue oder mich für eine Weile auf mein Kissen setze und meinen Atem beobachte.

Wie bist du zu deiner Morgenroutine gekommen?

Es gibt keine perfekte Morgenroutine. Vorschläge aus dem Internet, mit bestimmten Minutenangaben für Meditation, Bewegung oder kreative Gedanken in den Tag zu starten, hatte ich vorher auch ausprobiert. Das war für mich eher ein stressiges Programm. Vor allem, wenn ich es mal nicht schaffte.

Wie hast du deine Morgenroutine in der heutigen Form gefunden?

Es hat sich entwickelt. In den vorhin erwähnten 14 Tagen Allein-Zeit habe ich mich selbst besser wahrgenommen und mir fiel einiges auf:

  • Vor allem genoss ich diese Ruhezeit in der Früh. Ich stellte fest, das ist eine sehr kreative Zeit. Ich schrieb z.B. viele Artikel einfach herunter.
  • Ich habe auch mal Reihenfolgen auf den Kopf gestellt (erst das Vergnügen, dann die Arbeit).
  • Ich merkte, wie wohltuend das Alleinsein ist. Ich war entspannter.
  • Ich probierte neue Abläufe. Das hatte was Leichtes und Heiteres.
  • Ich war ganz bei mir. Keiner wollte was von mir.
  • Ich war klar und konzentriert. Das hielt tagsüber an. Ich holte diese eine Stunde Auszeit in der Früh locker rein, weil ich entspannter, zufriedener und schneller bei Entscheidungen war.

Der Prozess war also am Anfang ein „weg von der Belastung kommen“. Dann ein Ausprobieren. Dann über längere Zeit ein Beibehalten und immer wieder Anpassen an aktuelle Umstände und Bedürfnisse.

Welche Herausforderungen gab es dabei für dich?

Kurz gesagt waren es diese drei:

  • Mir immer wieder Raum und Rahmen zu schaffen
  • Mich innerlich offenzuhalten für Veränderungen, vor allem, wenn Widerstand kam
  • Mich ernst zu nehmen in meinen Bedürfnissen

Was würdest du heute anders machen?

Zum einen wäre ich nicht mehr so streng mit mir. Die Morgenroutine darf auch variieren. Ich habe viele Möglichkeiten, mir Zeit zu geben. Wenn mir in der Früh nicht nach Bewegung ist, dann kann ich es auch in der Mittagspause nachholen. Ich kann auch in anderen Formen meditieren, ich muss nicht zwingend auf einem Meditationskissen sitzen. Ich kann in Ruhe Wäsche zusammenlegen, Essen vorbereiten oder Laub rechen. Dann ist das auch erledigt, aber ich mache es ruhiger und lasse Gedanken ziehen …

Und wenn ich sie mal nicht schaffe, ist das kein Scheitern. Dann ist es halt so. Besser als zu zwanghaft zu sein, das bringt keine gute Laune.

Zum anderen würde ich mich viel früher ganz grundsätzlich mit guter Selbstfürsorge beschäftigen. So als Prävention. Die Morgenroutine ist ja „nur“ der gute Start in den Tag. Das heißt als Erstes: Mit dieser fürsorglichen Haltung mir selbst gegenüber auch tagsüber dranbleiben und nicht in alte Stressgewohnheiten abdriften.

Welche 3 Tipps würdest du jemand geben, der mit einer Morgenroutine starten möchte?

Mir hat es nicht geholfen, etwas von anderen zu kopieren. Ich brauchte eine Veränderung, die tief aus mir selbst heraus kam. Daher meine 3 Tipps:

  1. Bestandsaufnahme machen
    Was mache ich genau morgens? Indem ich mir meine Aktivitäten bewusst mache, hebe e ich sie heraus aus dem automatisierten Prozess. Dabei schauen, wie es mir geht (bin ich gehetzt, ruhig, gelassen, genervt, überladen, erschöpft, heiter, aktiv, offen, verschlossen?)
  2. Prüfen und hinterfragen
    Was tut mir gut, was stärkt mich? Diese Dinge beibehalten.
    Was tut mir nicht gut, schadet mir oder schwächt mich? Diese Dinge dann hinterfragen und sich fragen, was man stattdessen bräuchte oder sich wünscht. Zum Beispiel, dass ich mir morgens etwas aufschreiben kann oder mich keiner anspricht. Diese Ideen dann ausprobieren, variieren und anpassen über die Zeit.
  3. Unterstützung holen
    Das könnten die Rahmenbedingungen sein (z. B. einmal alleine in den Urlaub fahren). Aber natürlich auch, sich überlegen, wer einen unterstützen könnte. Wer nicht alleine lebt, muss für die Umsetzung seiner persönlichen Morgenroutine verhandeln. Aber in der Regel wird unterschätzt, wie beitragend Kinder und Partner sind. Sie wollen, dass es einem gut geht.

Was hat eine Morgenroutine mit der Lebensmitte gemeinsam?

In der Lebensmitte wird Selbstfürsorge immer wichtiger. Vielleicht nehmen wir uns in diesem Lebensabschnitt auch das erste Mal so richtig Zeit dafür. Es stehen Entscheidungen an, wo und wie es für mich ab jetzt weitergeht. Was ich beibehalten, loslassen, neu bewerten und neu beginnen will.

Und so, wie ich mit einer Morgenroutine gut für mich sorge und bestimme,

  • mit welcher Einstellung ich in den Tag gehe
  • mit welcher körperlichen Verfassung
  • mit welcher Wachsamkeit, Offenheit und Freude
  • ob ich entspannt bin oder unter Zeitdruck spüre
  • ob ich bereit bin und belastbar bin
  • ob ich etwas verändern oder loslassen will, was nicht mehr zu mir passt

so kann ich auch in der Lebensmitte bestimmen, wie ich weiterleben möchte und die Zeit voller Chancen, die vor mir liegt, gestalten

Vielen Dank, liebe Cordula, für diese Einblicke.

Hier gibt es mehr Infos über Cordula und Vernetzungsmöglichkeiten:


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