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Angst vor Veränderung: Wie Sicherheitsdenken den Mut zum Jobwechsel blockiert

Neulich habe ich eine Umfrage in Social Media gemacht unter Frauen zwischen 45 und 60, die in ihrem derzeitigen Beruf keine Freude mehr haben und dennoch ausharren. Ich wollte wissen, warum sie das tun und gar nicht überraschend kam unter anderem heraus, dass die Angst vor Veränderung sie dort hält, wo sie gerade sind. Das kann ich sehr gut verstehen. In diesem Beitrag möchte ich aufzeigen, welche Faktoren dieses Sicherheitsdenken begünstigen und hervorheben, dass dieses Denken nicht immer vernünftig ist. Die allermeisten Dinge im Leben haben einen Preis – nicht nur diejenigen, für die wir uns bewusst entscheiden, sondern auch diejenigen, die wir nicht tun. Deshalb möchte ich mit dem Beitrag auch dazu anregen, sich den Preis für das Sicherheitsdenken bewusst zu machen.

Komfortzone und Gewohnheit

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und oft fühlen wir uns in unserer Komfortzone am sichersten. Niemand verlässt die Komfortzone völlig ohne Not. Es gibt immer einen Auslöser – manchmal ist es Langeweile und noch öfter ist es eine allgemeine Unzufriedenheit. Denn ohne diesen Auslöser würden wir den Mut gar nicht aufbringen, den es braucht, um die Angst vor der Veränderung zu überwinden. Es könnte schließlich auch schiefgehen. Selbst wenn wir uns vorstellen können, dass ein Jobwechsel langfristig zu mehr Zufriedenheit führen könnte, braucht es zu Beginn ein Quäntchen Mut, ein Mindestmaß an Selbstvertrauen und die Ahnung, dass es nach der Veränderung besser sein wird. Ohne diese Grundvoraussetzungen erscheint uns der Preis zu hoch – und wir zahlen lieber den Preis der Sicherheit.

Angst vor dem Unbekannten

Die meisten Menschen, die ich kenne, sehnen sich nicht nach dem Unbekannten. Und mir scheint: je älter wir werden, desto mehr scheuen wir das Risiko und die Veränderung. Das hat sich die Natur vielleicht klug überlegt, denn einerseits schwinden mit dem Alter manche Fähigkeiten. Andererseits kompensieren wir diese Verluste durch mehr Erfahrung und eine realistischere Einschätzung unserer Grenzen.

Aber – und das ist an dieser Stelle wichtig – die Angst vor Veränderung kann sich auch so ausweiten, dass sie uns eher schadet als nützt. Natürlich kann der Gedanke an einen neuen Arbeitsplatz, neue Kollegen, andere Arbeitsbedingungen und unbekannte Herausforderungen beängstigend sein. Die Komfortzone des aktuellen Jobs bietet eine gewisse Stabilität und Vertrautheit, selbst wenn der Job schon länger unbefriedigend ist. Der Preis für die vermeintliche Sicherheit ist, dass wir in der unguten Situation verharren und es verpassen, neue Möglichkeiten zu erkunden.

Finanzielle Sicherheit

Machen wir uns nichts vor: Der Gedanke an den Verlust eines sicheren Einkommens und die Unsicherheit bezüglich des zukünftigen Verdienstes können abschreckend oder sogar lähmend sein. Wenn die finanziellen Verpflichtungen keinen Spielraum lassen, dann hilft alles Träumen nichts.

Wenn es aber Spielraum gibt, dann ist das eine andere Sache. Wie viel konsumieren wir, als Ersatzbefriedigung oder um einen bestimmten Status zu demonstrieren? Wäre es nicht möglich, weniger oft auswärts zu essen oder weniger Geld für Klamotten und Wellness auszugeben? Wohlgemerkt: Es gibt sicher viele Menschen, die diese Spielräume gar nicht haben. Aber es gibt eben auch diejenigen, die sehr viel Angst vor dem Einkommensverlust haben, aber gleichzeitig relativ viel „Schmerzensgeld“ für die Aufrechterhaltung des Status Quo ausgeben.

Die Angst vor dem Verlust der finanziellen Sicherheit ist sehr mächtig. Gepaart mit Unsicherheit oder fehlendem Vertrauen in die berufliche Zukunft wird sie zu einer hohen Hürde.

Die Peer-Group verstärkt die Angst vor Veränderung

Wie heißt es so schön? Gleich und gleich gesellt sich gern. Auf neudeutsch nennt man das „Blase“. Sehr wahrscheinlich sind sicherheitsliebende Menschen oft von anderen sicherheitsliebenden Menschen umgeben. Umgekehrt bewegen sich risikoliebende Menschen auch eher unter Gleichgesinnten. Das liegt daran, dass der Umgang mit Gleichgesinnten leichter fällt, weil es nicht so viel Erklärungsbedarf gibt.  Ganz allgemein streben Menschen nach einem konsistenten Weltbild und das ist leichter zu erreichen, wenn es nicht zu viele Störfaktoren gibt.

Interessant ist es, zu beobachten, was passiert, wenn jemand aus der eigenen Blase aussteigen will. Da gibt es viele wohlmeinende Ratschläge in der Art „aber du musst doch nicht arbeiten“ oder „so schlimm ist es doch gar nicht“, die vermutlich gut gemeint sind. So ein Ratschlag trifft dann auf einen Menschen, der ohnehin voller Zweifel ist. Der Zweifler sollte sich aber überlegen, dass jeder, der aus der Blase aussteigt, eine Provokation ist für all diejenigen, die weiterhin ausharren, obwohl sie bereits spüren, dass auch sie sich bewegen müssten.

Sicherheitsdenken ist nicht immer vernünftig

Kognitive Verzerrungen (englisch: Kognitiver Bias) meint eine unbewusste Voreingenommenheit, die das Denken der Menschen beeinflusst und zu irrationalen Entscheidungen oder Einschätzungen führt. Man muss es sich so vorstellen, dass viele Routineentscheidungen intuitiv und automatisiert ablaufen. Es werden also nicht alle Daten rational ausgewertet und bei der Entscheidung berücksichtigt – sonst gäbe es die Menschheit gar nicht mehr, weil das viel zu lange dauern würde. Vielmehr gibt es mentale Abkürzungen, also ein Näherungsverfahren (Heuristik), das uns schneller zur Entscheidung kommen lassen. Bei diesen Abkürzungen treten oft Wahrnehmungsverzerrungen oder unlogische Interpretation auf. Kognitive Verzerrungen sind ausgiebig psychologisch untersucht worden und es gibt die erstaunlichsten Effekte. Für das Sicherheitsdenken besonders bedeutsam halte ich, z.B. das Beharren auf Überzeugungen, das sich an der Überzeugung zeigt, dass man zu alt für einen Jobwechsel sei, obwohl es inzwischen zahlreiche Gegenbeispiele für Jobwechsel 50+ gibt. In dieselbe Richtung wirkt der Bestätigungsfehler. Das Phänomen, den Teufel an die Wand zu malen, ist unter der Bezeichnung Katastrophisieren bekannt und wird von Betroffenen gerne mit der Bemerkung, „Ja, aber bei mir ….. “ vom Tisch gewischt. Und schließlich noch der Unterlassungseffekt, der dazu führt, dass Handlungen anders bewertet werden als Unterlassungen, auch wenn die Konsequenzen beider Verhaltensoptionen dieselben sind.

Eine Frage der Selbst-Wertschätzung

Lebenszeit ist unbezahlbar. Wie viel ist sie mir selbst wert? Was darf ich mir gönnen? Darf ich aus einem Beruf aussteigen, der mit zu viel Lebenskraft raubt oder muss ich aushalten, weil es alle tun? Letztlich kann nur jeder selbst diese Fragen für sich beantworten. In meinem Aufbruch Netzwerktreffen habe ich immer wieder Frauen zu Gast, die in der Lebensmitte noch einmal die Spur gewechselt haben. Sie haben – nicht immer freiwillig – nach neuen Möglichkeiten Ausschau gehalten und gezeigt, dass vieles möglich ist. Allerdings funktioniert es in aller Regel nicht so, dass der perfekte, risikolose Plan vorhanden ist, bevor die ersten Veränderungsschritte passieren. Ich kann aus meiner Erfahrung heraus sagen, dass ich persönlich keinen einzigen Menschen kenne, der einen Spurwechsel bereut hat und gern wieder in die alten Verhältnisse zurückwollte. Vielleicht lohnt es sich, einmal selbst darüber nachzudenken, ob du selbst solche Beispiele kennst.

Fazit: Sicherheitsdenken ist menschlich, aber nicht immer vernünftig

Die Angst vor Veränderung und das damit verbundene Sicherheitsdenken ist eine starke Kraft, die durch viele Faktoren begünstigt wird. Auch wenn es so scheint, so ist dieses Denken doch nicht in jedem Fall vernünftig. Kognitive Verzerrungen und das Umfeld bewirken manchmal, dass man die vernünftige Lösung scheut und unnötig lange in einer unguten Situation verharrt. Da die eigene Lebenszeit das kostbarste ist, was ein Mensch besitzt, sollte sich jeder selbst fragen, ob der Preis für das eigene Sicherheitsbedürfnis wirklich gerechtfertigt ist.

Wie du die Ängste überwinden kannst, um dich nicht durch dein Sicherheitsdenken zu blockieren, habe ich in diesem Beitrag geschrieben.


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Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Marita

    Ein toller Beitrag, liebe Korina, da ist so alles drin, um nochmal über das Thema nachzudenken. Es lohnt sich, die Gründe für die eigenen Entscheidungen, etwas genauer zu brmtrachten, um sich neuen Möglichkeiten anzunähern. Ich kenne so viele, die zwischen 50 und 60 nochmal durchgestartet sind und sich con den Bewahrern im Umfeld nicht haben aufhalten lassen. Ich werde den Beitrag in meinem Team teilen 😊

    Gruß, Marita

    1. Danke, liebe Marita, für diese Rückmeldung. Das stimmt mich optimistisch, denn jede Frau, die es geschafft hat, zeigt den anderen, dass es grundsätzlich möglich ist.

      Herzliche Grüße, Korina

  2. Kerstin

    Hallo Korina,
    der Betrag stärkt meine Entscheidung, dem Job zu kündigen. Das Sicherheitsdenken ließ mich viele Monate lang zögern, den Schritt zu gehen. Mein Körper und die Seele wußte, was das richtige ist. Sie reagierten entsprechend. Doch der Verstand sagte lange, dass der Job wichtig sei.
    Ich hoffe du kannst mit den Beitrag noch anderen Mut machen und die Entscheidung leichter machen.

    1. Liebe Kerstin,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Und herzlichen Glückwunsch zu deiner Entscheidung und deinen Mut. Es ist ein schwerer Schritt. Ich hoffe auch, dass der Beitrag andere ermutigt, denn das Leben ist zu kostbar, um es an der falschen Stelle zu vergeuden.

      Für deinen weiteren Weg wünsche ich dir alles, alles Gute

      Korina

  3. Silvija Herdrich

    Hallo, ich bin überzeugt, dass man in keinem Alter einen Job machen sollte, der nicht passt. Dieser Artikel spricht mir aus dem Herzen. Ich habe fast zwanzig Jahre bei zwei IT Großkonzernen verbracht, mit Mitte 40 bin ich zu einem kleinen Unternehmen in der IT Sicherheit. Dann kamen die Gedanken und das was, viele in meinem Alter tun: plötzlich fühlt man sich unsicher und versucht bei einer großen, vermeintlichen sicheren Firma unterkommen. Ich dachte bevor ich 50 bin, muss ich wieder in eine große Firma, weil das alle für richtig halten. Nach einem Jahr kam die Ernüchterung. Ich werde wieder in ein kleines Unternehmen gehen, weil ich dort sicher bin, dass ich wertgeschätzt werde und meine Erfahrung einbringen kann. Hier wird keiner festlegen, dass man bis zum Geburtsjahr x „freiwillig“ gehen darf. Mein Appel an alle Frauen und Männer: traut euch , egal in welchem Alter! Ihr habt sicher viel geleistet und es gibt sicher tolle Firmen, in denen ihr zufrieden sein werdet und die Euch, genau Euch brauchen.
    „Sobald der Geist auf ein Ziel gerichtet ist, kommt ihm Vieles entgegen“ -Goethe

    1. Liebe Silvija,

      vielen Dank, dass du deine Geschichte hier geteilt hast. Sie hat mich wirklich berührt, denn ich kenne auch andere Menschen, die genau so denken. Ich freue mich sehr für dich, dass du die Konsequenzen gezogen hast und einen besseren Platz gefunden hast, an dem du mit deinen Talenten und Erfahrungen gut wirken kannst.

      Alles Gute für dich – und Danke auch für das wunderbare Goethe-Zitat

      Korina

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