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Black Mamba oder die Macht der Imagination – eine Rezension

In diesem Beitrag rezensiere ich „Black Mamba oder die Macht der Imagination“ – ein populärwissenschaftliches Buch, das sich mit dem menschlichen Gehirn und seiner Fähigkeit zur Imagination beschäftigt. Es wurde von dem Psychologen und Kognitionsforscher Fred Mast geschrieben und ist 2020 im Herder Verlag erschienen.

Das Buch umfasst 18 Kapitel, die jeweils verschiedene Aspekte der Imagination beleuchten. Es würde zu weit führen, auf alle Kapitel einzeln einzugehen. Die einzelnen Kapitel erläutern aus unterschiedlichen Blickwinkeln, warum die Imagination unser evolutionärer Jackpot ist:

  • Sie ergänzt unsere (unvollständigen und verrauschten) Sinnesreize und verhilft uns dadurch zu einer sinnvollen Interpretation der Wirklichkeit.
  • Sie ermöglicht gedankliche Simulationen und trägt damit zu besseren Entscheidungen bei, weil wir verschiedene Szenarien mental durchspielen und ihre Konsequenzen abschätzen können.
  • Sie ist die Basis für Empathie und Kreativität.
  • Sie kann eingesetzt werden, um sportliche und sonstige Ziele zu erreichen (Stichwort: Mentaltraining, NLP).

Fred Mast geht aber auch auf die Schattenseiten der Fantasie ein. Anschaulich erläutert er, was passiert, wenn die Balance zwischen Fantasie und Realiät gestört ist.

Warum habe ich Black Mamba gelesen?

Ehrlich gesagt war es der Untertitel, der mich gereizt hat: Wie unser Gehirn die Wirklichkeit bestimmt. Im Coaching erlebe ich oft, dass meine Wahrnehmung von der des Coachees abweicht. Dabei muss ich dann an den Spurch von Anais Nin denken:

Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind. Wir sehen sie so, wie wir sind.

Anais Nin

Meine Erwartung an das Buch war, dass ich den Zusammenhang zwischen Körper und Geist und die Möglichkeiten, die darin liegen, besser verstehe. Diese Erwartung hat das Buch voll und ganz erfüllt.

Was weiß ich jetzt, was ich vorher nicht wusste?

Das Buch ist prall gefüllt mit Forschungsergebnissen und es gab vieles, was mir neu war. Nachfolgend eine kleine Auswahl – sie sagt mehr über meine eigenen Wissenslücken als über die tatsächliche Bedeutung aus:

Das Modell für die Realitätswahrnehmung von Wolfgang Metzger mit seiner Unterscheidung von Wirklichkeit im ersten und zweiten Sinn (nachprüfbare Fakten versus subjektives Erleben).

Das Reafferenzprinzip, in dem es um den Unterschied zwischen Eigen- und Fremdbewegung beim Sehen geht. Vereinfacht gesagt: wann bewegen wir uns und wann das Objekt? Wir bewegen beim Sehen immer unsere Augen und es ist wissenschaftlich ziemlich komplex, diese Unterscheidung zu untersuchen. Inzwischen ist dies gelungen, so dass wir jetzt wissen, dass das Gehirn die Eigenbewegung der Augen aus unserer Interpretation der Wahrnehmung herausrechnet.

Der Bereich der Psychophysik, der sich mit der experimentellen Erforschung subjektiver Prozesse beschäftigt, war mit vollkommen neu. Insbesondere die Schwellenexperimente fand ich gut erklärt, in denen subjektive Reiz-Reaktionsmuster untersucht werden. Dabei musste ich spontan an Doppelkopfrunden mit meinem Mann denken. Wir ziehen aus einem gegebenen Blatt andere Schlüsse, weil unser Antwortkriterium unterschiedlich ist.

Das Kapitel über das Ich und sein Selbst war Wasser auf meine Mühlen: indem wir immer seltener den jetzigen Augenblick spüren, weil wir versuchen, jede noch so kleine Lücke in unserem Alltag „sinnvoll“ auszunutzen, sei es auch nur um aufs Handy zu schauen. Die daraus resultierende Dauerüberforderung könnte die gestiegene Nachfrage nach Achtsamkeitskurse erklären. Warten, Pausen und Langeweile haben eine Funktion: ohne sie können wir die vielfältigen Reize, die auf uns einstürmen, nicht gut verarbeiten und es könnte sein, dass das Lernen und die Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen, darunter leiden.

Was hat mir gut gefallen?

Fred Mast kann gut erklären. Er bringt immer wieder Alltagsbeispiele, um den praktischen Nutzen der vorgestellten Konzepte zu erläutern. So beispielsweise der Hinweis darauf, dass unsere Fähigkeit, Vorgänge mental zu simulieren beim Beladen des Autos vor Urlaubsantritt uns mehrmaliges Ein- und Ausladen des Autos ersparen kann.

Fred Mast scheint gerne ins Kino zu gehen und so finden sich immer wieder Filmsequenzen in diesem Buch, die die „trockene Materie“ auflockern. Der Titel des Buchs ist z.B. dem Film „Kill Bill“ entlehnt, in dem die junge Berufskillerin Black Mamba ihre Bewegungsfähigkeit durch stundenlanges Vorstellungstraining zurückerlangt.

Die Kapitelüberschriften haben mein Interesse geweckt und mich bei der Stange gehalten – wer wüsste nicht gerne, worum es im Kapitel „Schneewittchen entwischt Spiderman“ geht?

Fazit

Fred Mast wollte ein anspruchsvolles Buch für eine interessierte Leserschaft schreiben. Das ist ihm auf jeden Fall gelungen: ich war interessiert und fand es anspruchsvoll. Als Nicht-Psychologin, war ich mit einigen Konzepten nicht vertraut. Sie waren aber so gut erklärt, dass ich sie gut verstehen konnte. Das Buch ist keine leichte Kost, aber wer sich tiefere Einblicke in die Thematik wünscht, der liest dieses Buch mit Gewinn.

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